Heftiges Rumoren im deutschen Briefmarkt

26.03.2007 - Die SPD, Verdi und Deutsche Post machen Druck, alternative Dienstleister sind verärgert und die Bundesnetzagentur warnt.

von Susanne C. Steiger

Kommt sie, oder kommt sie nicht - die vollständige Liberalisierung des deutschen Postmarktes? Wer derzeit einen Blick auf das Hickhack um das Ende dieses Jahres auslaufende Restmonopol der Deutschen Post auf die Beförderungen von Briefen bis 50 Gramm wirft, der könnte durchaus an einer pünktlichen Umsetzung zweifeln. Besonders betroffen wären Direktmarketing-Dienstleister, die sich von der Liberalisierung einen Aufschwung versprechen, und Direktmarketing-Anwender, die auf mehr Service und günstigere Preise hoffen.

Es geht zunächst einmal um Politik. Da ist etwa Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), der im Mai vergangenen Jahres im Kabinett zwar mitbeschlossen hatte, das Briefmonopol bis Ende 2007 auslaufen zu lassen, jetzt allerdings warnte: "Liberalisierung ist im Prinzip nichts Schlechtes. Man darf auch hier Vorreiter sein - aber nicht blöd." Wenn andere EU-Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien ihre nationalen Briefmärkte Ende 2008 nicht öffneten, "dann bin ich dafür, dass wir das korrigieren in Deutschland". Der Vizekanzler befürchtet, "dass Postdienstleister aus anderen europäischen Ländern bei uns am Markt voll wühlen können, aber die deutschen Unternehmen das auf der anderen Seite nicht machen können".

Widerspruch erntete er dafür von Michael Glos (CSU). "Wir wollen 2008 Vorreiter bei der Öffnung des Briefmarktes sein", hieß es von Seiten des Bundeswirtschaftsministers. "Und zwar trotz der Schwierigkeiten mit den anderen EU-Staaten." Ein Koalitionskrach scheint programmiert.Müntefering erhält aber auch viel Unterstützung - vor allem wenn er auf vermeintlich schlechte Arbeitsbedingungen bei alternativen Postdienstleistern verweist. "Im Bereich Briefdienstleistungen gibt es keine weißen Schafe außer der Deutschen Post", so ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Es gebe lediglich noch einige graue "und jede Menge tiefschwarzer". SPD und Gewerkschaften behaupten, dass alternative Dienstleister zum Teil nur die Hälfte des üblichen Lohns zahlten.

In den Chor der SPD- und Gewerkschaftsvertreter stimmt mittlerweile auch die Deutsche Post selbst ein. So soll Vorstandschef Klaus Zumwinkel von der zuständigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, gefordert haben, den Wettbewerbern die Lizenz zu entziehen, falls die zu geringe Löhne zahlen. "Die dürften nicht mehr am Markt agieren", sagte Zumwinkel der "Netzzeitung".

Die Sorge wegen der zunehmenden Konkurrenz wächst. "Wenn wir drastisch Marktanteile verlieren - zum Beispiel 20 Prozent -, sind leicht mehr als 30.000 Jobs in Gefahr", so der Postchef. Die beiden Hauptkonkurrenten der Deutschen Post, TNT und Pin Group, hatten vor Kurzem erklärt, dem Marktführer in den nächsten Jahren jeweils zehn Prozent der Marktanteile abjagen zu wollen. Um es den Wettbewerbern nicht zu leicht zu machen, wird unisono von einem notwendigen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro gesprochen.

Die Deutsche Post zahlt ihren Briefträgern Gewerkschaftsangaben zufolge 10,54 Euro pro Stunde. Auch die meisten Unternehmen der Pin Group vergüten die Zustellung nach eigenen Angaben mit mehr als 7,50 Euro pro Stunde. Die Bundesnetzagentur hat trotzdem eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen bei alternativen Postdienstleistern eingeleitet.

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, ist zwar von Amts wegen zur Neutralität verpflichtet. Dennoch sagte Kurth an die Adresse der Deutschen Post: "Man sollte nicht in derartiger Weise auf andere zeigen." Er warnte die Deutsche Post davor, sich in Sachen Lohn und Gehalt zum alleinigen Maßstab zu machen. Immerhin konnte sich der Logistik-Riese jahrelang Löhne leisten, die vom Wettbewerb verschont blieben. Vor diesem Hintergrund sei der gegenwärtige Tariflohn der Deutschen Post sicher nicht für die gesamte Branche als "üblich" zu bezeichnen, so Kurth. Interessanterweise denkt Postchef Zumwinkel aus Spargründen gerade darüber nach, die Wochenarbeitszeit für die rund 60.000 Postbeamten von 38,5 auf 41 Stunden zu erhöhen.

Wie auch immer der Streit um Arbeitsbedingungen ausgeht: Das Aktionsforum Mehr Farbe im Postmarkt, dem alle führenden Postdienstleister-Verbände und auch der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV) angehören, ist auf jeden Fall verärgert über den Zusammenhang mit der Liberalisierung. "Eine erneute Verlängerung des Briefmonopols hätte fatale Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland", so das Forum. "Tausende von Arbeitsplätzen würden gefährdet und das Vertrauen in eine verlässliche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auf viele Jahre hinaus verspielt."

Im Hintergrund, so mutmaßen Beobachter, geht es ohnehin nicht um die Arbeitsbedingungen, sondern vielmehr um die Bedingungen der Liberalisierung selbst. So fordern die alternativen Dienstleister, auch die Umsatzsteuerbefreiung der Deutschen Post Ende 2007 auslaufen zu lassen, vermissen dafür bei der Bundesregierung aber jegliche Entschlossenheit. te

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