28.12.2005 - Seitdem sowohl die Internet- als auch die Werbewirtschaft ihr Tief überwunden haben, boomt die Nachfrage nach interaktiven Werbeformen: eine Chance für so genannte Instant Messenger.
So wird es für Unternehmen immer schwieriger, ihre Werbebotschaften auf populären und reichweitenstarken Online-Werbeträgern unterzubringen. In der Folge suchen Werbetreibende und Vermarkter verstärkt nach Alternativen zu klassischen Online-Werbeformen. Dabei werden sie immer öfter bei so genannten Instant Messengern (IM) fündig, mit denen Onliner in Echtzeit Textbotschaften austauschen können.
Der Marktforscher Gartner geht davon aus, dass in zwei Jahren mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter der größten Unternehmen Instant Messaging nutzen. Der Meta Group zufolge wird bereits 2006 die Zahl der unternehmensinternen IM-Nachrichten die der unternehmensinternen E-Mails übersteigen.
Zusätzliche Attraktivität gewinnt das Medium dadurch, dass die Internetgrößen Microsoft, Google, Yahoo und AOL ihr Instant-Messenger-Engagement in letzter Zeit deutlich erhöhten. So kooperiert beispielsweise die AOL-Tochter ICQ seit Anfang Dezember mit dem Fernsehsender Pro Sieben im Internet. Kurz darauf startete Yahoo eine neue Version seines Instant Messengers, mit dem künftig auch Internettelefonie (Voice-over-IP, kurz Voip) möglich ist. Bereits im August stellte der Suchgigant Google seine Instant-Messenger- und Voip-Lösung Google Talk ins Netz, die nach Expertenmeinung früher oder später auch vermarktet wird. Und Microsoft bewarb seinen MSN Messenger im Sommer mit einer millionenschweren Kampagne. Nicht ohne Grund. Schließlich ist die Vermarktung des MSN Messengers sehr weit fortgeschritten. Werbungtreibenden bietet sich hier eine breite Palette an IM-Werbeformen. Vom Half-Size-Banner über Interstitials (Unterbrecherwerbung) bis hin zu Text Ads gibt es hier fast alles, was das Online-Werberherz begehrt. Mögliche Werbeplätze sind der Welcome-Screen sowie das Client- und das Messenger-Fenster. Besonders reizvoll sind dabei die so genannten Theme Packs, die Gadgets wie Hintergrundbilder enthalten. Microsoft setzt dabei auf den Trend zur Personalisierung.
So wie Millionen von Handynutzern wild darauf sind, ihrem mobilen Begleiter durch individuelle Klingeltöne und Wallpaper eine eigene Identität zu geben, so gibt es auch viele IM-Nutzer, die ihre Kommunikationsfenster nach ihren Vorlieben gestalten möchten. Ein weiterer Vorteil dieser Werbeform besteht darin, dass sie sich allein weiterverbreitet, sprich, der virale Effekt voll zum Tragen kommt. Außerdem sind die Aussagen der Werbemittel sehr nah an der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen, erklärt Georg Steidinger, Alliance Manager MSN. Ferner betont er das "hohe Involvement" und die starke Nutzerbindung der jugendlichen Zielgruppe.
Im Ergebnis erzielen die Themenpakete Response-Raten von bis zu 10 Prozent. So haben sich beispielsweise etwa 340.000 User die virtuelle Wundertüte zum Disney-Film "Madagascar" he-runtergeladen. Bei den Textlinks liegen die Klickraten der Textlinks dagegen nur bei durchschnittlich 0,5 Prozent. Unterm Strich verzeichnete Steidinger aber zuletzt zweistellige Zuwachsraten bei den Werbeerlösen.
Durch diese Erfolge ermutigt, plant er den Einsatz von virtuellen Figuren, so genannten Avataren, die verschiedene Outfits annehmen können, wobei natürlich auch Werbeschriftzüge eine Chance haben. Der Mitbewerber Yahoo, der seinen Messenger bisher nur ansatzweise und ausschließlich in den USA vermarktet, denkt eigenen Angaben zufolge ebenfalls über den Einsatz animierter Figuren nach.
Zusätzliche Impulse dürfte die IM-Vermarktung des MSN Messengers bekommen, wenn die kürzlich vereinbarte Kooperation mit Yahoo in Kraft tritt. Dann können Yahoo- und MSN-Nutzer über die IM-Grenzen hinweg miteinander kommunizieren. Obendrein wird der Messenger von MSN im nächsten Jahr Voip-fähig, was die Nutzerzahlen weiter in die Höhe treiben dürfte.
Ebenfalls recht ausgefeilt ist das Vermarktungskonzept von Pro Sieben. Der in Zusammenarbeit mit dem IM-Pionier ICQ entwickelte Instant Messenger bietet sowohl klassische Online-Werbeformen als auch aufmerksamkeitsstarke Sonderwerbeformen an. Zudem ist - wie übrigens auch bei MSN - das zielgruppenspezifische Targeting möglich. Auswahlkriterien sind Alter, Geschlecht und Wohnort.
Die Content-basierte Vermarktung nach Keywords, wie sie beispielsweise im Suchmaschinen-Marketing und teilweise auch in Chat-Rooms erfolgreich praktiziert wird (ONEto ONE 10/04), lässt dagegen noch auf sich warten. Bei MSN ist das Thema zumindest in der Überlegung. Erste Keyword-Tests laufen bereits auf Amica.de. AOL Deutschland bietet die Keyword-Vermarktung bewusst nicht an, obwohl sie technisch möglich wäre. Stattdessen setzt der Internetkonzern lieber auf die Vermarktung der Buddy-Icons, die von den Nutzern sehr gut akzeptiert werde. So hätten sich beispielsweise viele User die M&M-Figuren als Buddy-Icon eingestellt. Der Grund: "Die Nutzer von Instant Messengern sind sehr verspielt", erklärt Vizepräsident Torsten Ahlers. Für die Zukunft erwartet er ein "signifikantes Wachstum" bei der IM-Vermarktung, unter anderem deshalb, weil große Konzerne wie Coca-Cola zunehmend "das Potenzial dieser reichweitenstarken Community- und Kommunika-t ionsplatzierungen erkennen".
Auch Uli Kramer, Geschäftsführer der Media-Agentur Pilot, sieht noch großes Potenzial. "Messenger-Werbung generiert ein enormes Volumen, weil die Nutzung sehr intensiv ist", so der Online-Marketing-Experte. Allerdings sind die Response-Raten seinen Erfahrungen zufolge deutlich niedriger als bei sonstigen Online-Werbeformen, was durch die sehr günstigen Kontaktpreise aber ausgeglichen werde.
Das Targeting und die Keyword-Vermarktung betrachtet er dagegen als relativ kritisch. "Man muss mit den hinterlegten Daten sehr behutsam umgehen, da sonst ein Big-Brother-Effekt unterstellt werden könnte." Insofern sei es sinnvoller, nur nach Profilmarketing-Aspekten wie Geschlecht vorzugehen. "Wir müssen Werbeformen und Platzierungen finden, die effizient sind, ohne der Zielgruppe auf den Wecker zu gehen", sagt Kramer. Bisher sei die IM-Werbung aber insgesamt sehr zurückhaltend gewesen. Einzige Ausnahme: In den USA erzürnte der IM-Anbieter AOL seine Nutzer, indem er Chat-Roboter ungefragt auf die Buddy-Liste seiner Kunden setzte. Die so genannten Bots gaben den Nutzern Tipps zu Kinobesuchen und Shopping-Angeboten. Dabei reagierten sie auf Stichworte in den Chats. Die Hinweise waren besonders für Kunden außerhalb der USA ärgerlich, da die Bots nur für US-amerikanische Angebote warben.
Die Gefahr, dass unseriöse Unternehmen die IM-Nutzer mit unerwünschter Werbung überhäufen und das Medium dadurch diskreditieren, ist nach Meinung von Plan-Net-Media-Chef Manfred Klaus indes eher unwahrscheinlich. Zum einen, da es ein Einfaches sei, falsche Freunde (Buddys) zu blocken, zum anderen, weil für jeden Bots ein neuer User-Account angelegt werden müsse, um Spam-Instant-Messages (SPIM) auf den Weg zu bringen. "Das ist mit relativ hohem Aufwand verbunden", so Klaus. brö
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