Urteil gefährdet Affiliate-Marketing

27.11.2005 - Händler haften für ihre Werbepartner / Juristen und BVDW kritisieren Entscheidung harsch

Das Landgericht Köln hat ein Urteil gefällt, das die gesamte Affiliate-Branche ins Wanken bringen könnte. Die Richter entschieden, dass Händler für Rechtswidrigkeiten auf Partnerseiten haften. Geklagt hatte der Fahrradhändler Roseversand.de, weil von ihm rechtlich geschützte Begriffe als Meta-Tag (nicht sichtbares Schlüsselwort, das von Suchmaschinen erkannt wird) in Websites auftauchten, die im Rahmen eines Affiliate-Programms für den Roseversand-Konkurrenten Raddiscount.de warben. Im Ergebnis erschien unter anderen die Affiliate-Seite Superschnelle-raeder.de als Treffer bei Google auf, wenn man nach den Begriffen "Rose" und "bike" suchte. Roseversand sah sich nicht nur durch die Werbepartner des Beklagten, sondern auch durch diesen selbst in seinen Rechten verletzt, was das Gericht bestätigte. Begründung: Es mache keinen Unterschied, ob ein Affiliate-Netzbetreiber dazwischengeschaltet sei. Der Beklagte hafte daher auch für alle Meta-Tags - selbst auf Websites, die nicht Teil des Partnerprogramms seien.

Den Einwand des Händlers Rad-discount, er könne unmöglich sämtliche Meta-Tags der Werbepartner kontrollieren, überzeugte die Kammer nicht. Nach Ansicht des Gerichts ist die Zahl der Mitbewerber überschaubar, sodass diese leicht in einer Liste aufgezählt und als Anhang zu den Verträgen mit den Werbepartnern genommen werden könnten (AZ 31 08/05). Bisher hatte Raddiscount in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich auf die Einhaltung der Marken-, Namens- und Urheberrechte hingewiesen. Das Unternehmen legte gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein. Zu einer Stellungnahme waren die Rohrdorfer bislang nicht bereit. Der Roseversand will dem erfolgreichen Verfahren eventuell weitere Klagen gegen andere Händler folgen lassen. "Für uns ist es wichtig, Markenrechte zu schützen", betont Prokurist Thorsten Heckrat-Rose.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln steht - ebenso wie ein ähnliches Urteil des Landgerichts Berlin (AZ 15 0 321/05) - im Gegensatz zur Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom August dieses Jahres (AZ 315 0 296/05), wonach der Händler nicht für Markenrechtsverletzungen haftet, die ein Werbepartner begeht. Sobald der Händler jedoch von einer Rechtsverletzung erfahre, müsse er alles ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, um die Markenrechtsverletzung abzustellen. Sprich: Er muss den Affiliate abmahnen und ihn zur sofortigen Beseitigung der Rechtsverletzung verpflichten.

Nach Ansicht des Internetrechtlers Dr. Martin Bahr verkennt die vom LG Köln empfohlene Liste der relevanten geschützten Marken "vollkommen die realen Gegebenheiten". "Selbst wenn man die Listen nach Waren und Dienstleistungen unterteilte, käme schnell eine fünf- oder sechsstellige Zahl von Marken zusammen", rechnet Bahr vor. Zudem müsste der Händler die Liste stets auf dem aktuellsten Stand halten.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft wirft dem Gericht in diesem Punkt "mangelndes Verständnis hinsichtlich der Funktionsweise von Affiliate-Netzwerken" vor. "Die Merchants sind einfach nicht in der Lage, alle Affiliates zu kontrollieren", sagt Roland Fesemayr, Mitglied des BVDW-Gesamtvorstandes und Vorsitzender der Fachgruppe E-Commerce. Zudem könnten Verträge keine expliziten Listen mit Wettbewerbern oder Marken enthalten, unter anderem weil das Internet ein globales Medium sei. Insofern müsse es ausreichen, dass man die Affiliates auf die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen verpflichte. Der BVDW werde erst dann in das Geschehen eingreifen, wenn klar sei, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickle.

Sollte sich die Ansicht der Kölner Richter durchsetzen, würde dies Bahrs Einschätzung nach zu einer "uferlosen Haftung des Merchants und damit zu einer grundlegenden Verwerfung der deutschen Merchant-Szene führen". Ähnlich schätzt Rechtsanwalt Dr. Jens Bücking die möglichen Folgen des Kölner Urteils ein. Af-filiate-Partnerprogramme wären dann so-wohl wirtschaftlich als auch organisatorisch nicht mehr tragbar. Schließlich müsste der Händler mit "riesigem Aufgebot" ununterbrochen die Seiten der Af-filiates überwachen, die nicht selten in die Millionen gingen. Daher würde eine "Überprüfungspflicht des Merchants dem Aus dieser Marketingform gleichkommen". brö

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