23.06.2005 - Marketing-Dienstleister unter Druck: Immer mehr DM-Dienstleister lassen im Ausland produzieren - nicht ohne Folgen für den hiesigen Markt
Die fortschreitende Liberalisierung der internationalen Märkte hat viele Gewinner, aber auch Verlierer: Neue Konkurrenz aus Niedriglohnländern und anhaltender Preisverfall machen derzeit vor allem den Druckdienstleistern der Dialogbranche zu schaffen, deren Aufträge zunehmend in die neuen EU-Mitgliedsstaaten abwandern - teils mit, teils ohne Mandat ihrer Kunden. Gibt es tatsächlich keine Alternativen zu Outsourcing und Preisdumping? Doch, sagen viele: Selbst schuld, wer sich heute noch als Drucker profiliert.
"Wenn wir im Endeffekt alle auf Osteuropa-Niveau produzieren und in unserem Land die Kaufkraft vernichten, hat keiner etwas gewonnen", sagt Harald Meier vom Marketing-Dienstleister Datacolor in Lüneburg. Der Mittelständler sieht nur einen Ausweg aus der Krise: seine Kunden von ihrer sozialen Verantwortung und seinen höheren Preisen zu überzeugen. Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern hat Datacolor keine Partnerschaften, Beteiligungen oder gar Tochterunternehmen in Polen oder Tschechien, die zu einem Bruchteil der deutschen Kosten drucken.
In einem offenen Brief an Kunden und Interessenten ließ Meier deshalb verlauten: "Wir produzieren nur in Deutschland. Damit helfen wir weitere Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und aufzubauen und tragen mit bescheidenen Mitteln dazu bei, die Kaufkraft im Lande zu belassen." Die rhetorische Nähe zum Burladinger T-Shirt-Hersteller Trigema, der seit jeher mit seinen 1.200 Mitarbeitern nur in Deutschland produziert, ist durchaus gewollt. "Wir haben Betriebe aufgebaut, die jetzt reihenweise geschlossen werden", klagt Meier, "unter anderem deshalb, weil mit EU-Subventionen in Osteuropa hochmoderne Anlagen entstehen, die mittelfristig konkurrenzlos billig produzieren."
Und wo sie dies nicht im Auftrag deutscher Dienstleister tun, zieht das Argument zumindest in den Preisverhandlungen. Angesichts drucktechnischer Überkapazitäten stecken die Print-Services seit Jahren in einer dramatischen Abwärts-Preisspirale.
Unterdessen gleichen sich die Lohnkosten der so genannten Nearshore-Standorte sehr langsam dem deutschen Niveau an: Lag etwa die Relation tschechischer zu deutschen Löhnen früher bei eins zu sieben, so liegt sie heute bei eins zu fünf. Ob dies indes an steigenden Löhnen im osteuropäischen Ausland liegt, ist mehr als fraglich. Dazu kommen Vorteile durch hohe Arbeitszeitflexibilität und geringere Wochenendzuschläge. "Bei einfachen Druckprodukten mit hohem Materialanteil gibt jetzt es schon jetzt keinen Preisunterschied mehr", sagt Henning Borek, geschäftsführender Gesellschafter von Borek.
Qualitätsprobleme sind nach Ansicht führender Anbieter längst nicht mehr zu befürchten. "Dass nach Osteuropa und Asien nur anspruchslose Tätigkeiten mit geringem Qualitätsanspruch vergeben und in Deutschland die anspruchsvollen Aufgaben erledigt werden müssen, ist ein Vorurteil, so GHP-Chef Dr. Jürgen Wolf: "Die Produkte und Services aus diesen Ländern sind heute sehr hochwertig."
Wachstumschancen im Osten?
Aus deutscher Sicht entdeckt man gelegentliche Schwächen in der Administration; das Einhalten von Terminen etwa erfordert intensive Projektbegleitung. Im Ergebnis beträgt der Preisvorteil für den Kunden 100 Prozent, das Risiko liegt bei null Prozent. Schließlich steht der deutsche Dienstleister für die Qualität gerade.
Dass die neuen EU-Mitglieder ihre heimische Produktion irgendwann im großen Stil selbst nachfragen, gilt keinesfalls als gesichert - siehe Ostdeutschland. Dennoch suchen immer mehr große Unternehmen, etwa die von anhaltenden Umsatzverlusten gebeutelten Universalversender, ihre Wachstumschancen im Ausland, und die deutschen Dienstleister bemühen sich, vor Ort zu sein oder mitzuziehen. "Unsere Kunden verlegen ihre Lettershop-Aktivitäten zunehmend nach Osteuropa, da müssen wir mitgehen", sagt Klaus Schulz vom spanischen Umschlaghersteller Tompla, der einen Mitbewerber in Polen gekauft hat. GHP investiert offensiv in Polen, Ungarn und Tschechien sowie in China und Vietnam. DM-Dienstleister Borek ist seit 1993 mit seiner Tochter Pigge Hungaria in Ungarn aktiv - bisher im Formular-Geschäft, demnächst auch im Bereich Direct Mail. In Polen kooperiert das Unternehmen mir der ehemaligen Drescher-Tochter Emerson.
Drucken allein lohnt sich dort kaum. Exportiert werden vor allem Aufträge mit hohem Anteil an Personalkosten. Auslandsproduktion wird immer dann ein Thema, wenn größere Mengen händisch zu bearbeiten oder zu veredeln sind. "So etwas ist in Deutschland nicht mehr bezahlbar", berichtet Siegfried Dorner, Inhaber von Förster Druck und Services. "Bei kleinen Mengen lohnt sich wiederum der Transport nicht." Auch komplizierte Produkte wie besondere Kuvertierungen, manuelle Lettershop-Jobs, oder Musterversandaufträge werden gern vergeben. "Wir haben etwa einen speziellen Auftrag, der früher in China erledigt wurde, nur deshalb gewonnen, weil wir in Rumänien fertigen lassen", berichtet Dorner. "Andernfalls hätten wir ihn nicht bekommen."
Wo dagegen der Datenschutz tangiert wird wie bei der Erfassung und Verarbeitung von Adressen, sind die Kunden penibel. Die international geläufigen Datenschutzgesetze entsprechen häufig nicht den strengen deutschen Standards. "Doch die meisten Unternehmen sind verantwortungsbewusst genug, ihre eigenen Strukturen auf den Auslandsstandort zu übertragen", sagt Siegfried Dorner. Rainer Pyka von RotaForm beispielsweise versichert, dass "solche Aufträge definitiv nicht exportiert" würden.
Im Land bleiben in aller Regel auch Kampagnen mit hohen Anforderungen an das Prozess-Management. Die Fertigung wird bei sinkenden Auflagen immer komplexer. "Aufträge mit hohem Anteil an Projektsteuerungsleistung wird niemand nach Polen verlegen", sagt Henning Borek. Vor allem die zunehmende Just-in-Time-Produktion brauche Mitarbeiter mit Kompetenz in Logistik, Lettershop und Individua-lisierung. Borek: "Wenn Sie morgens die Daten bekommen und das gesamte Package abends bei der Post sein muss, dann können Sie sowieso nichts ins Ausland verlagern."
Und die Effekte auf dem Arbeitsmarkt? Nach Ansicht GHPs kannibalisieren Auslandsinvestitionen keineswegs das deutsche Geschäft. Von 1.800 neuen Stellen, die in den letzten fünf Jahren geschaffen worden seien, entfallen zwei Drittel auf die deutschen Standorte. "Allein der vor zwei Jahren in Vietnam gegründete GHP-Standort Vietnam, an dem über 200 Mitarbeiter unter anderem Datenbanken programmieren und Response erfassen, hat mehr als 50 Stellen in Deutschland geschaffen", so Dr. Jürgen Wolf.
Jobmaschine oder Stellenkiller?
Andere wachsen nur im Ausland, stag-nieren oder bauen tatsächlich Stellen ab - meist ohne zu jammern. "Viele unserer Probleme sind hausgemacht", räumt Rainer Pyka von RotaForm ein.
Letztlich kommt es darauf an, wie schnell die Unternehmen veränderte Marktbedingungen erkennen und im Management umsetzen können. "Da muss jedes Unternehmen seine eigene Position finden und Entscheidungen treffen", sagt Klaus Schulz von Tompla. Viele Mittelständler leiden jetzt seiner Ansicht nach, weil sie das Mitmachen im Ausland nicht gelernt hätten. Oder Sprachkenntnisse fehlen. Oder weil sie an überholten Geschäftsmodellen festhalten. "Drucker schauen immer sehr stark auf ihre Maschinen. Sie müssen aber auch beim Thema IT und Marketing ihr Profil schärfen", glaubt Henning Borek. "Als reine Druckereien werden sie den Auftrag nicht bekommen." asc
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