Umstrittenes Anti-Spam-Gesetz wird grundlegend überarbeitet

02.06.2005 - Kennzeichnungspflicht für Werbe-E-Mails wird weniger restriktiv als erwartet - Provider sollen blocken dürfen

Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen das geplante Anti-Spam-Gesetz nach der teilweise harschen Kritik von Opposition und Wirtschaft gründlich überarbeiten und noch vor der Sommerpause in neuer Form vorlegen. Das teilte der federführende SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber ONEtoONE auf Anfrage mit. Sollten CDU/CSU und FDP im Herbst die Regierung übernehmen, will die Union eigenen Angaben zufolge selbst einen Gesetzentwurf einbringen. Beim Anti-Spam-Gesetz handelt es sich genau genommen um eine Änderung des Teledienstegesetzes. Kernpunkt der Reform ist die Kennzeichnungspflicht für kommerzielle E-Mails.

Laut Gesetzentwurf darf in der Kopf- und Betreffzeile künftig "weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden". Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro. Kompromissbereit zeigte sich Kelber insbesondere bei der umstrittenen Kennzeichnung der Betreffzeile. Diese hatte zuvor ob ihrer vagen Definition im Gesetzentwurf bei Vertretern der E-Mail-Marketing-Wirtschaft für erheblichen Unruhe gesorgt, befürchteten diese doch erhebliche Einschränkungen beim kreativen Verfassen der Betreffzeilen, die oft über den Erfolg einer Kampagne entscheiden. In diesem Punkt konnte Kelber aber Entwarnung geben.

Der Bonner kann es sich inzwischen vorstellen, dass nur ein Buchstabe am Anfang der Betreffzeile steht, beispielsweise ein C für Commercial. Denkbar sei aber auch eine Kennzeichnung am Anfang der Mail oder ein Signal im Header, das von der nächsten Generation der E-Mail-Programme automatisch identifiziert werden kann - ähnlich wie bereits jetzt Angaben über die Priorität einer Mail. "Es gibt noch viele Möglichkeiten. Da sind wir noch nicht festgelegt", sagt Kelber. Die Betreffzeile dürfe den Verbraucher aber nicht bewusst aufs Glatteis führen, wie das in der Vergangenheit durch Formulierungen wie "Ihre Steuererklärung" oft der Fall gewesen sei.

Auch am Verbot der Manipulation der Absenderinformationen will der SPD-Politiker auf jeden Fall festhalten. Wie die Kennzeichnung genau auszusehen hat, soll aber nicht im Gesetz, sondern in Verordnungen stehen, die gleichzeitig verhandelt werden. Zudem soll das Gesetz technikneutral formuliert werden, um Medien wie SMS, MMS, Chat-Rooms und Gästebücher auf Websites, die von der Spam-Problematik ebenfalls betroffen sind, in das Gesetz mit einzubeziehen. Bisher war im Entwurf nur von E-Mails die Rede, was insbesondere bei der CDU und dem Internet-Verband eco auf Kritik stieß. Darüber hinaus soll den Providern erlaubt werden, besonders hartnäckige Spam-Mails im Vorfeld abzublocken, ohne zuvor den Empfänger um Erlaubnis zu fragen. Die Provider AOL und T-Online sowie der eco-Verband hatten dies während der ersten öffentlichen Anhörung im Bundestag gefordert.

Ferner will die SPD gesetzlich festlegen, welche Mails als kommerziell gelten und welche nicht. Dadurch soll verhindert werden, dass die Richter das Gesetz bei Streitfällen unterschiedlich interpretieren. Derzeit sei es beispielsweise unklar, wie per Mail verschickte Anzeigenblätter und Newsletter einzustufen seien, was CDU und mehrere Verbände bemängelten. Gleichzeitig will Kelber den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, um zu bewirken, dass die Bundesrepublik dem europaweiten Bündnis gegen Spam beitritt. CDU und FDP fordern das schon seit längerem. "Es ist utopisch, das Problem national zu lösen. Wir brauchen auch internationale Verbünde", sagt die Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Martina Krogmann. Das Verbot der Verschleierung des kommerziellen Charakters der Werbe-Mails führt ihrer Meinung nach nur zu Rechtsunsicherheit und Verwirrung, ohne das Problem der unverlangt zugesandten Werbe-Mails wirklich zu bekämpfen.

Außerdem bemängelte die Niedersächsin, dass die Verfolgung von Spam-Vergehen bei den Ordnungsämtern der Gemeinden liegen soll. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Entwurf den Versand von elektronischem Werbemüll als Ordnungswidrigkeit einstuft, wodurch die Verfolgung der meist ausländischen Spammer in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen fällt. "Damit sind die heillos überfordert", kritisiert Krogmann. Sie fordert daher, dass eine zentrale Behörde wie die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) die Spammer ins Visier nimmt.

Die SPD schiebt den schwarzen Peter zurück und wirft der CDU vor, selbst an diesem Missstand schuld zu sein. Schließlich könne der Bundestag nur Anweisungen geben. Die Durchführung liege dagegen bei den Bundesländern, die mehrheitlich von der Union regiert werden.
Insgesamt hält die CDU die Verabschiedung eines Gesetzes zur Bekämpfung des elektronischen Werbemülls aber für sinnvoll. "Man muss national etwas machen, um überhaupt das Bewusstsein herzustellen", sagt Krogmann. Schließlich verursachten die Spammer EU-weit jährlich einen Produktivitätsverlust von mehr als 2,5 Milliarden Euro. Darüber hinaus entstünden den Providern hohe Kosten, da sie eine Infrastruktur vorhalten müssten, die der Spam-Flut gewachsen ist. Zudem werde das Vertrauen in das Medium Internet geschädigt. US-Studien belegten, das die Menschen bereits weniger E-Mail nutzen, weil sie sich von der Werbeflut überschwemmt fühlen.

Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) reicht Krogmanns Meinung nach nicht aus, um Spammer wirksam zu bekämpfen, da es nur Verbänden erlaube, gegen Spammer vorzugehen. Zudem könne als Strafe nur der Gewinn abgeschöpft werden, was in der Praxis sehr schwierig sei.

Die FDP hält das Anti-Spam-Gesetz dagegen für völlig überflüssig, unter anderem weil es nur einen minimalen Ausschnitt des Problems erfasse. Schließlich säßen nur etwa 1,2 Prozent der Spammer in Deutschland. Der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV) sieht das ähnlich: "Mit den Änderungen soll in Deutschland etwas auf juristischem Wege bewirkt werden, was ausschließlich aus dem nichteuropäischen Ausland auf Deutschland einwirkt", heißt es in einem Positionspapier des Verbandes. Somit sei die Durchsetzung des geplanten Gesetzes faktisch unmöglich. Statt gesetzlicher Regelungen sollte die Bundesregierung besser Maßnahmen der Selbstregulierung wie das Whitelist-Projekt von DDV und eco fördern und dem Verbraucher zeigen, wie er mithilfe von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbänden seine bestehenden Rechte durchsetzen kann.

Auch der Internet-Verband eco sieht keine Notwendigkeit für ein Anti-Spam- Gesetz. Denkbar ist nach Auffassung von Justiziar Oliver J. Süme höchstens eine Anpassung des Paragraphen 317 des Strafgesetzbuches, der das Stören von Telekommunikationsanlagen unter Strafe stellt. Laut Süme ist es durchaus möglich, den Schutz von Providern in dieses Gesetz mit einzubeziehen.

Der E-Mail-Marketing-Experte Dr. Torsten Schwarz vom Beratungsunternehmen Absolit in Waghäusel bezeichnete den Gesetzesentwurf als "blödsinnigen Aktionismus" und warf Rot-Grün vor, die Wirtschaft unnötig zu gängeln. Unnötig insofern, als inzwischen fast alle Versender nur dann Werbung ver- schickten, wenn eine Erlaubnis des Empfängers vorliege. In der Folge seien nur Unternehmen betroffen, die sich bei der Formulierung der Betreffzeile "zu blöd anstellen". Die wahren Spammer kämen dagegen in der Regel straflos davon. Sinnvoll sei dagegen eine Unterscheidung von persönlichen und Massen- E-Mails. Allerdings müssten dann auch alle gesellschaftlichen Gruppen mitmachen. Soll heißen: Auch die Newsletter der Verbraucherschützer und Parteien müssten eine Kennzeichnung tragen.

Der Rechtsanwalt Matthias Hartmann von der Kanzlei HK2 hält es für ratsamer, sich auf die Verfolgung der 10 bis 20 Big Spammer zu konzentrieren, die für den Großteil des weltweiten Werbemülls verantwortlich sind. Das sei sehr viel sinnvoller, als die große Masse der gesetzestreuen Unternehmen zu regulieren, denen durch das Gesetz ein "Wust von Formalitäten" sowie Abmahnungswellen drohten.

Dem Bundesverband Verbraucherzentralen geht der Gesetzesentwurf dagegen nicht weit genug. Die Verbraucherschützer fordern, dass das Manipulieren von Absenderinfos als Straftatbestand eingestuft wird. Außerdem soll das Sammeln persönlicher Daten durch Unternehmen weiter reglementiert werden. Das Gesetz ist in seiner jetzigen Form nicht zustimmungspflichtig. Nur wenn sich die Union mit ihrer Forderung nach einer nationalen Aufsichtsbehörde durchsetzt, muss der Bundesrat sein Placet geben. Brö

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