Hilfe, meine Domain wurde entführt!

22.04.2005 - Googles Umgang mit dem Phänomen URL-Hijacking erzürnt die Branche

Die Suchmaschinen-Größe Google gerät immer mehr in Bedrängnis. Nicht genug, dass der lange Zeit unumstrittene Marktführer mit Microsoft und Yahoo zwei ernsthafte und finanzstarke Konkurrenten bekommen hat, mit denen sich der US-Konzern seit Monaten einen Wettlauf um neue Suchmaschinen-Produkte liefert. In letzter Zeit häufen sich in Branchenkreisen auch verstärkt Beschwerden über die Anfälligkeit der Google-Technologie für Manipulationen und das damit verbundene Krisenmanagement. Neuester Aufreger ist das so genannte URL-Hijacking.

Darunter versteht man das Phänomen, dass Internet-Seiten in den Ergebnislisten der Google-Suche durch verlinkende Seiten ersetzt werden oder völlig aus dem Index verschwinden. Ursache ist ein Programmierfehler (Bug) bei Google, der dazu führt, dass die besonders bei Web-Katalogen und Affiliate-Partnern beliebten Weiterleitungsbefehle 302 redirect und meta refresh falsch interpretiert werden.

Zugriffe über Google nehmen ab
Bei diesen Befehlen wird kein Link gesetzt, sondern eine weitere Seite zwischengeschaltet, um Klicks oder sonstige statistische Daten zu speichern. Google nimmt dann vielfach die Zählskript-URL anstatt der Ziel-URL in den Index auf. Die gesuchte Seite fällt dann auf einen schlechteren Ranglistenplatz ab oder verschwindet ganz aus der Ergebnisliste. Die Folge: Die Zugriffe über Suchmaschinen nehmen deutlich ab. Dadurch bleiben neue Besucher aus, Anfragen und Verkäufe gehen zurück, was für E-Commerce-Anbieter schnell existenzbedrohend werden kann. Prominente Beispiele für URL-Entführungen sind die Verbraucherportale Dooyou und Testberichte.de.

Nach Beobachtung von Lothar Wuth, Marketingchef der Suchmaschinen-Marketing-Agentur 44u, kann dieses Problem auch bei der Nutzung von Übersetzungs-Sites auftreten. Der Grund: Google sieht keinen Unterschied zwischen der ursprünglichen und der übersetzten Seite und schmeißt daher eine Seite - leider oft die falsche - aus dem Index. So kann es passieren, dass die Ergebnisliste nur eine japanische Version der gesuchten Site ausspuckt, was meistens nicht im Sinne des Suchers ist.

Besonders heikel wird es, wenn eine betrügerische Absicht hinter dem URL-Hijacking steckt. Noch passieren die meisten Website-Entführungen unabsichtlich, sodass es oft nur eines kurzen Telefonanrufes bedarf, um den Fehler zu beheben. In letzter Zeit häufen sich aber Fälle, bei denen kundige Website-Betreiber den Google-Bug gezielt dazu nutzen, der Konkurrenz zu schaden und/oder eigene Domains in den Ergebnislisten nach oben zu bringen.

Dem dänischen Web-Spezialisten Claus Schmidt zufolge richten einige Angreifer Seiten ein, die sich als das Original anderer Seiten ausgeben und so deren Position im Index übernehmen, ohne dass der eigentliche Seitenbetreiber davon etwas mitbekommt.

"Man kann sich nicht davor schützen"
Eine andere Möglichkeit besteht darin, zahlreiche Redirects auf eine populäre Seite zu setzen und später durch Links zu eigenen Seiten zu ersetzen. Oder man programmiert einen Link so, dass er den Browser in einer Endlosschleife hält. In der Folge verschwinden die betroffenen Seiten ganz aus dem Index.

Laut Lars Rabe von der Agentur SoQuero (Foto) ist eine vorbeugende technische Lösung seitens der Anwender noch nicht absehbar. "Man kann sich nicht davor schützen", sagt der Suchmaschinen-Experte. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, ein Monitoring zu entwickeln, um möglichst schnell herauszufinden, ob fremde Seiten mit gefährlichen Links auf den eigenen Internet-Auftritt verweisen. Die Agentur Constructiv bietet dazu das kostenlose Tool Antihijacker (www.antihijacker.com) an.

Google könnte das Problem lösen
Rabes Auffassung nach ist das Trafficmaxx-Tool aber viel zu aufwändig und somit für viele Unternehmen nicht praktikabel. Insofern wäre es mehr als wünschenswert, wenn Google das Problem bereits im Vorfeld lösen könnte, wozu der Konzern technisch durchaus in der Lage sei. Schließlich hätten die Konkurrenten MSN und Yahoo das URL-Hijacking auch in den Griff bekommen oder erst gar nicht aufkommen lassen. Einen gewissen Schutz vor unliebsamen Überraschungen bietet grundsätzlich der Verzicht auf Einträge in Web-Verzeichnisse, die per Weiterleitung auf eine Website verweisen. "Kostenlose Web-Verzeichnisse und Link-Listen sollten grundsätzlich gemieden werden", rät Rabe.

Google hat sich zur Hijacking-Problematik bislang nicht geäußert - allen Bemühungen betroffener Website-Betreiber, die ihr Leid in zahlreichen Internet-Foren klagen, zum Trotz. Auch ONEtoONE bekam trotz wochenlanger Bemühungen bis Redaktionsschluss keine Antwort von Google. Das Unternehmen handelte sich dadurch in Foren wie Suchmaschinentricks und Abacus den Vorwurf ein, das Problem bewusst auszusitzen. Einige Experten vermuten gar, dass Google die Website-Betreiber auf diese Weise dazu erziehen will, sich bei der Programmierung ihrer Seiten gefälligst nach Google zu richten.

Rechtliche Konsequenzen muss Google aufgrund seiner Untätigkeit allerdings kaum befürchten. Nach Auskunft des Internet-Rechtlers Dr. Martin Bahr kann der Suchmaschinenbetreiber nach dem Software-Recht nur dann belangt werden, wenn der Kläger einwandfrei beweist, dass der Bug durch einen Fehler von Google entsteht und nach dem derzeitigen technischen Stand ohne allzu große Aufwendungen beseitigt werden könnte. Bahr hält es aber für äußerst unwahrscheinlich, dass einem Gehijackten diese Beweisführung gelingt, insbesondere deshalb, weil der Google-Such-Algorithmus "ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis" sei. brö

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