Web-Agenturen in der Krise?

16.04.2001 - Negativmeldungen über Multimedia-Dienstleister häufen sich

Entlassungen, Geschäftsschließungen, rasant fallende Aktienkurse der börsennotierten Agenturen - seit Monaten häufen sich die Negativmeldungen über Multimedia-Dienstleister. Lassen sich mit dem Massenmedium Internet keine lukrativen Dienstleistungen realisieren? ONEtoONE hat in der Multimedia-Branche nachgefragt, was dran ist an der Krise.

Von Seiten der Agenturen wollte keiner so recht das Wort "Krise" in den Mund nehmen. Es handele sich allenfalls um eine "Konsolidierung". Sandra Hofmann von SinnerSchrader in Hamburg sieht die Ursache allen Übels in der übersteigerten Bewertung der ganzen Branche. Anfangs sei ein Riesen-Hype rund ums Interactive-Geschäft gemacht worden, die Analysten hätten Aktienwerte in astronomischen Höhen prognostiziert - und nun, nachdem sich die hohen Erwartungen nicht erfüllt hätten, würde die Negativstimmung ebenfalls allzu sehr auf die Spitze getrieben. "Es fehlt einfach die Ausgewogenheit", so Hofmann. Dann ist alles also nur eine Frage der Betrachtung?

Dagmar Munk von der Nürnberger WWL diagnostiziert zwar eine Krise, sieht diese aber eher am Neuen Markt. "Die Unternehmen wurden überbewertet, weil es keine Vergleichswerte gab. Man war von ihrer Idee angetan und hat vernachlässigt, dass auch hier nur Business herrscht und die Zahlen stimmen müssen." WWL kann davon ein Lied singen, hat sich inzwischen von unprofitablen Geschäftsbereichen trennen müssen und begibt sich nun - mit reduzierter Mannschaft - "so langsam auf den Weg in die Normalität".

"Die Zeiten, in denen die Kunden die Interactive-Agenturen mit Aufträgen bestürmen, sind vorbei", sagt Daniela Preis, zuständig für Investor Relations bei der Wiesbadener Concept!.
Dass sich der Bereich der Interactive-Dienstleisungen nicht so entwickelt hat wie erwartet, räumt auch Lutz Goertz ein, Referatsleiter beim Deutschen Multimedia Verband, dmmv, in Düsseldorf. Allerdings gelte das nur "für Unternehmen, die börsennotiert sind und selbstständig Content anbieten - also eine rein Net-genuine Ausrichtung" hätten.
Freilich lassen sich finanzielle Flauten bei börsennotierten Unternehmen leichter nachweisen, doch auch ohne Börsengang läuft in der Branche offenbar nicht alles wie geplant. So schlossen die - nicht notierten - argonauten erst kürzlich ihre Hamburger Niederlassung, und auch bei Elephant Seven in Hamburg gab es Entlassungen. Götz Teege, Vorsitzender der Geschäftsführung von Elephant Seven: "Wir hatten angesichts der Marketingmaßnahmen der New Economy gehofft, im Bereich der klassischen Kommunikation stärker expandieren zu können und hierfür ein Team aufgestellt. Diese Arbeitsgruppe mussten wir auflösen." Auch der geplante Ausbau des Personals von 160 auf 250 Angestellte werde erstmal auf Eis gelegt.

Ein großes Problem der Interactive-Unternehmen, so Goertz, sei der riskante Umgang mit Investitionen. "Durch die Börsengänge ist viel Kapital frei geworden, sodass die Unternehmen oftmals Wagnisse eingegangen sind und zum Beispiel unprofitable Niederlassungen im Ausland eröffnet haben."
Außerdem sei häufig zu wenig Marktforschung betrieben worden, einen Großteil der Online-Services hätte man gar nicht verbrauchernah getestet. Viele Multimedia-Agenturen hätten den Markt nicht ausreichend beobachtet und dann auf Dienstleistungen gesetzt, die es bereits seit längerem gab.

Auch die Venture-Capital-Unternehmen sind laut Goertz mitverantwortlich für die Finanzschwäche der Interactive-Dienstleister, fehle ihnen doch oftmals die nötige Geduld. Denn: "Produkte müssen erst mal wachsen und können nicht im Hauruck-Verfahren zum Erfolg geführt werden."
Ein weiterer, ganz wesentlicher Schwachpunkt der Branche sei der allgemeine Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Noch immer seien Top-Leute viel zu teuer und sehr schwierig zu halten, zumal ja auch in der IT-Branche - die deutlich besser zahlt - händeringend nach Personal gesucht werde. Goertz: "Es gibt in der Branche auch ein Ausbildungsproblem."
Sein Tipp: Die Agenturen müssen eine richtige Mischung aus erfahrenen und neuen Leuten finden. Eines wird deutlich: Die Multimedia-Dienstleister haben schon mal bessere Zeiten gesehen - doch ausweglos ist ihre Lage keinesfalls. Umstrukturierungen und die allseits beliebte "Konzentration auf die Kernkompetenzen" sind wichtige Schritte. "Die Branche lernt nun, wirtschaftlicher zu denken", ist Elephant Seven-Chef Teege überzeugt. Und: "Es wird nicht zu einem Sterben der Agenturen kommen."

Auch Goertz blickt optimistisch in die Zukunft, die seiner Ansicht nach ganz im Zeichen des Mobile Internet, der Breitbandtechnologie und der Vernetzung verschiedener Kommunikationsformen stehen wird. "Diese Entwicklungen werden der Branche einen ganz großen Schub bringen!" sam/mac

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