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Datenanalysen zerstören den Klick-Mythos

Viele YouTube-Videos haben Millionen von Views. Zwei Mal hinschauen lohnt sich aber. (Bild: Pixabay)
Viele YouTube-Videos haben Millionen von Views. Zwei Mal hinschauen lohnt sich aber.

23.01.2024 - Wie sich mit Datenanalysen spannende Insights auf dem Videoportal gewinnen lassen. Die dann ganz nebenbei den Klick-Mythos der Millionen Views beerdigen.

von Ariane Gomer und Lennart Thamm

Nahezu jede Marketingabteilung sammelt Daten. Oder würde es gern. Auch für ihren YouTube-Kanal. Doch vielen fällt es dabei schwer, die richtigen Schlüsse aus den gesammelten Zahlen zu ziehen. Der klassische Mythos: ein Video mit Millionen Views. Doch: Ein Video mit Millionen Views muss nicht bedeuten, dass sich jemand positiv mit einer Marke auseinandergesetzt hat. Ein Werbevideo mit hohen Durchsichtsraten - einem wichtigen KPI der Videoplattform - bedeutet nur wenig, wenn diese Rate gerade in der Nacht sehr hoch ist. Dies könnte schlichtweg bedeuten, dass die ZuschauerInnen YouTube zum Einschlafen laufen lassen und die Ad im Autoplay wortwörtlich verschlafen. Somit ist das Marketing-Ziel verfehlt.

Was bringt eine Datenanalyse?

Gerade dieses Beispiel zeigt das Potenzial einer Datenanalyse auf YouTube. Durch die systematische Auswertung von Daten erhalten nicht nur Content-CreatorInnen, sondern auch Unternehmen wertvolle Einblicke in die Performance ihrer Videos. Und dies bietet zwei große Vorteile: Zuerst die retrospektive Auswertung des Erfolgs eines Videos. Anhand verschiedener Metriken lässt sich feststellen, was und wen ein Unternehmen mit dem eingesetzten Budget erreichen konnte sowie wie sich die ZuschauerInnen tatsächlich mit meinem Inhalt auseinandergesetzt haben. Der zweite große Vorteil ist die Chance der Anpassung. Auf Basis der Rückschlüsse aus der Datenanalyse haben Unternehmen und CreatorInnen die Chance, ihre Inhalte zu optimieren. Dies kann sowohl in Form von Experimenten wie A/B-Tests erfolgen als auch durch eine qualitative Anpassung der Kanal-Inhalte.

Welche Metriken sind wichtig?

Leider lässt sich nicht kategorisch die EINE entscheidende Metrik für eine Datenanalyse festlegen. Auch ein Zusammenspiel von mehreren typischen Kennwerten muss nicht automatisch zum besten Ende führen. Denn der Ablauf einer Datenanalyse und die gewählten Metriken hängen maßgeblich von den strategischen Zielen und den Zielgruppen der Unternehmen ab. Viele Unternehmen wollen in vielen Fällen alle möglichen ZuschauerInnen erreichen. Bei diesem Ziel scheint die Metrik der Views dabei universell wichtig zu sein. Die Bedeutung der schieren Anzahl von Klicks bemisst sich aber an verschiedenen Faktoren, wie der durchschnittlichen ZuschauerInnen-Bindung (oder Average View Duration) und dem Anteil an Views im Publikum des Unternehmens.

Die unbequeme Wahrheit dabei ist, dass die meisten Inhalte - gerade in einer Zeit der immer extremeren Fragmentierung der Webvideo-Kultur - nicht alle Zielgruppen gleichermaßen ansprechen. Es ist daher sinnvoll, die Zielgruppe für einen YouTube-Kanal einzugrenzen. Eine gute Datenanalyse fängt daher bereits bei einer kohärenten Kanalstrategie mit Zielgruppendefinition und Zielen an, die sich in spezifischen KPIs messen lassen. Diese spezifischen KPIs können vielfältig sein.

Für eine erhöhte Brand Awareness, beispielsweise zur Ankündigung eines neuen Produktes, ist eine möglichst hohe Reichweite, also eine hohe Unique Viewer-Menge sowie niedrige Cost-per-View-Zahlen relevant, um die Botschaft rund um das neue Produkt zu verankern.

Umgekehrt ist ein qualitativ hochwertiger Traffic, der durch die Spezifität des Targetings erreicht werden kann, essentiell, wenn ein Unternehmen die Kundenbindung und seine Markenwahrnehmung steigern möchte. Reine Reichweiten-Metriken sollten in diesem Szenario durch qualitative Metriken wie lange Average View Duration, hohe Like- und Subscribe-Raten sowie viele positive Kommentare eingeordnet werden.

Außerdem ist es entscheidend, den Kontext der Daten zu analysieren und in Relation zu setzen. Ein Video, das also viele Klicks erhält, die aber nicht im relevanten Kontext stehen, kann nicht automatisch als erfolgreich angesehen werden. Auch ein Video mit der perfekten Durchdringung einer Zielgruppe ist bei wenigen Klicks nicht erfolgreich. Für jede Möglichkeit der Dateninterpretation ist eine klare Zielfestlegung sowohl für den YouTube-Kanal als auch für die Zielgruppe essenziell.

Neben allen Möglichkeiten muss bei einer Datenanalyse ebenfalls auf potenzielle Stolpersteine geachtet werden. Eine klassische Panne bei einer Datenanalyse besteht in der isolierten Betrachtung von Daten. Es ist wichtig, nicht nur einzelne Kennzahlen zu analysieren, sondern Zusammenhänge zu erkennen und die Bedeutung der Daten im Gesamtkontext zu verstehen. Zufällige oder nebensächliche Daten müssen stets von wesentlichen getrennt werden.

So funktioniert die Datenanalyse für deinen YouTube-Kanal

Eine Datenanalyse auf YouTube beginnt nahezu unmittelbar nach dem Hochladen eines Videos im YouTube-Studio bei den Analytics. Dort stehen insbesondere im "Advanced Mode" umfangreiche Statistiken zum Kanal zur Verfügung. Zu den wichtigsten Funktionen zählt die Aufschlüsselung von Metriken nach Video, Traffic-Quelle, Demografie, Region und vielem mehr. Einige dieser Metriken, wie zum Beispiel die Click-Through-Rate (CTR), bieten bereits wenige Stunden nach dem Upload einen ersten Einblick in die Performance eines Videos.

Die CTR gibt Aufschluss über das Verhältnis der Impressionen - also wie häufig ein Thumbnail auf YouTube angezeigt wurde - zu der Zahl der Klicks - also wie häufig ein Video gesehen wurde - und liefert so wichtige Informationen zur Wirksamkeit des Titelbildes und des Titels. Ist die Performance des Videos hier unterdurchschnittlich, können Unternehmen direkt agieren und den Thumbnail oder auch den Titel des Videos ändern. Metriken wie Views, Watchtime oder Engagement lassen üblicherweise vier bis fünf Tage nach dem Hochladen des Videos belastbare Schlüsse über die Performance zu.

Ein weiterer Aspekt ist die Retentionskurve, die Einblicke in die Zuschauerbindung und Ausstiegspunkte liefert. Diese Metrik erlaubt außerdem gute Rückschlüsse für das Storytelling des Videos und wie diese für eine längere Verweildauer angepasst werden sollte. Denn je länger die ZuschauerInnen bei einem Video dabei bleiben, desto besser. Während ein leichter Abfall in den ersten Sekunden normal ist, sollten Unternehmen nach den ersten fünf Sekunden die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen gewonnen haben.

All diese Kennzahlen werden anschließend in den Kontext eines Videos integriert. Dabei ist es wichtig zu wissen, ob gerade ähnliche Videos anderer CreatorInnen oder Unternehmen populär sind, um eine Kannibalisierung der eigenen Inhalte zu vermeiden oder aber um Trends frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu adressieren. Ebenfalls müssen externe Faktoren wie die verschiedenen Zielgruppen, geostrategische Daten oder auch die Tageszeit in Relation zu allen Kennzahlen gebracht werden. Denn wie im Eingangsbeispiel bereits erwähnt, bringt es nichts, wenn alle ZuschauerInnen? deine Inhalte verschlafen, oder wenn deine Infos an ein strategisch nicht relevantes Zielpublikum ausgespielt wurden.

Realistischerweise schließt eine kommerzielle YouTube-Strategie nicht nur organische Aufrufe ein, sondern setzt gleichsam Google Ads mit ein. Um eine nachhaltige Gemeinschaft rund um das Thema eines Unternehmens zu erstellen, sollte die Qualität der Inhalte dabei jedoch gleichermaßen priorisiert werden. Hier sind Google-Ad-spezifische Faktoren in der Analyse zu berücksichtigen.

Zentral ist zunächst der Cost per View, der anzeigt, wie effektiv die Werbeanzeige Viewer erreicht. Ebenfalls sind kampagnenspezifische Faktoren zu berücksichtigen, welche die Qualität eines einzelnen Views genauer beleuchten:

  • Likes und Subscriptions (die von einer Anzeige ausgehen) zeigen an, dass der Inhalt für gut befunden wird
  • Die Average View Duration zeigt, ob sich das Publikum tatsächlich für den gezeigten Inhalt interessiert
  • Earned Views zeigen, dass der Inhalt sogar Anreize bietet, sich weitere Videos des Kanals anzuschauen. Auf diesem können Paid Views also auch zu einem Wachstum der organischen Aufrufe führen
Aussagekräftig werden diese Metriken jedoch erst durch den Vergleich verschiedener Kampagnen. Die Erkenntnisse einer guten Datenanalyse erlauben es folglich, Ausgaben konsequent und zielgerichtet zu planen.

Klein aber nutzt für seine Datenanalysen das Google Looker Studio   (vormals Data Studio), um umfassende Dashboards zu erstellen. Dieses Tool ermöglicht die Visualisierung und Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen in einer gesammelten Übersicht, einschließlich Google Ads und YouTube. Darüber hinaus werden auch selbst entwickelte Tools genutzt, um spezifische Anforderungen und Bedürfnisse bei der Datenanalyse zu berücksichtigen. Diese Kombination aus etablierten Tools und individuellen Lösungen ermöglicht eine umfassende Datenanalyse der Videos.

Das ergibt eine Datenanalyse für den YouTube-Kanal von Kleinanzeigen

Der von Klein aber betreute Kanal der Kleinanzeigen WG   ist ein gutes Beispiel für die Anwendung einer Datenanalyse. Der Kanal unterhält seit fünf Jahren eine treue Community, die sich wöchentlich auf ein neues Video freut. Hier wurde verstärkt das Ziel gesetzt, vor allem ZuschauerInnen der GenZ zu erreichen.

Um dieses Ziel zu realisieren, wurde zunächst der Status Quo analysiert. Wer wird zurzeit mit den Videos der Kleinanzeigen WG erreicht? Woher kommen die Views? Wie hoch waren die CTR und die Watchtime der GenZ bei den bereits bestehenden Videos?

Externe Studien lieferten außerdem wichtige Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten der GenZ. Diese würde sich demnach stark mit alltagsrelevanten Themen identifizieren und unterschiedliche Arten von Videos konsumieren, statt nur einem Format oder Thema Aufmerksamkeit zu schenken. Die wichtigen Insights der Zielgruppe wurden entsprechend in die Konzeption übersetzt, um so Inhalte hinsichtlich des gesetzten Ziels zu optimieren.

Um zu gewährleisten, dass Anpassungen dazu führen, um die gesetzten Ziele zu erreichen, ist das kontinuierliche Monitoring der Performance unumgänglich. Dabei ist es essentiell, die gesetzten KPIs nicht außer Acht zu lassen und gleichzeitig nicht vorschnell Entschlüsse zu treffen. Denn: Neue Formate brauchen natürlich Zeit, um sich auf der Plattform zu entwickeln und bei der Community anzukommen.

Datenanalyse ist also auch bei bereits etablierten Kanälen immer ein großes Thema. Auch bei erfolgreichen Kanälen können sich Ziele ändern. Gerade nach Neuausrichtungen ist es besonders wichtig, Änderungen in der Performance rechtzeitig festzustellen und bei Bedarf auf der Inhalts- oder Mediaebene nachzujustieren.

Ist KI die Zukunft der Datenanalyse?

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird in der Datenanalyse für YouTube zunehmend bedeutender. Zum Start eines Kanals ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz noch weniger relevant. Mit zunehmender Reichweite und Komplexität der Daten wird der explorative Einsatz von KI-Tools allerdings ausgesprochen nützlich.

Speziell für den sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand können KI-Tools bereits dabei helfen, Analysen von Kommentaren, Sentiment-Analysen und Klassifikation von Inhalten durchzuführen und widerzuspiegeln, wie der eigene Kanal in der YouTube-Welt dasteht. Außerdem kann KI Unternehmen und CreatorInnen dabei unterstützen, Trends auf YouTube frühzeitig zu antizipieren und zu reagieren.

Durch Fortschritte in der Technologie wird es zudem zunehmend einfacher, KI-Tools effektiv in die Datenanalyse zu integrieren.

Ein Schritt nach dem anderen

Datenanalysen sind unverzichtbar, um einen guten Einblick in die Performance eines YouTube-Kanals zu bekommen. Nur diese ermöglichen eine Ableitung von klaren Handlungen für eine neue Strategie, die zur Verbesserung der eigenen Inhalte und zum Aufbau einer Community um die eigene Marke beiträgt.

Unser Tipp für den Beginn: Bei der ersten Datenanalyse sind spezifische Zielsetzungen entscheidend. Es braucht klare, erreichbare Ziele. Allen voran qualitative Metriken wie Likes und Kommentare spiegeln das Engagement wider und messen die tatsächliche Interaktion mit dem Publikum. Passend dazu sollte der Fokus auf einer treuen Zuschauerschaft liegen, die durch relevante und ansprechende Inhalte aufgebaut wird. Dabei ist es ratsam, sich und seinem gewählten Thema treu zu bleiben, anstatt ständig das Thema zu wechseln. Bei der Bewertung der Daten sollte man sich abschließend nicht vom Mythos der Millionen Klicks blenden lassen. So können gute Datenanalysen dann nicht nur zur Performance des Kanals beitragen. Sondern ganz nebenbei auch den Klick-Mythos der Millionen Views beerdigen.


Ariane Gomer und Lennart Thamm (Bild: Klein aber)
Ariane Gomer und Lennart Thamm

Die ONEtoONE-AutorInnen Ariane Gomer und Lennart Thamm arbeiten als Strategist und Producer bzw. als Leiter der Data Insights Unit bei der Hamburger YouTube-Agentur Klein aber   .

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