26.02.2007 - Dienstleister befürchten Einschränkung der kreativen Freiheit und Qualitätsverlust bei Erfolgsmessung
Auf die deutschen E-Mail-Marketing-Anbieter kommen in den nächsten Wochen mehrere große Herausforderungen zu. Problem Nummer eins: Das neue Telemediengesetz (TMG) macht den Versendern Vorschriften bei der Formulierung ihrer Adress- und Betreffzeilen.
Zweitens erschwert Microsoft die grafische Darstellung von Werbebotschaften durch die Einführung der neuen E-Mail-Programme Windows Live Mail und Outlook 2007. Windows Live Hotmail unterdrückt in den Mails seiner User standardmäßig alle Bilder. Die neue Outlook-Version nutzt bei der Darstellung von Grafiken den HTML-Wiedergabemechanismus von Word anstatt wie bisher den Internet Explorer. Weitere Mehrarbeit bereiten die neuen Pflichtangaben für geschäftliche E-Mails, die bei Nichtbeachtung oder falscher Umsetzung hohe Bußgelder zur Folge haben können.
Laut TMG darf in der Kopf- und Betreffzeile gewerblicher E-Mails der kommerzielle Charakter der Nachricht weder verheimlicht noch verschleiert werden. Auf gut Deutsch: Der Empfänger muss sofort erkennen können, dass es sich um eine Werbebotschaft handelt.
Die Verschleierung oder Verheimlichung der Identität des Absenders war bisher bereits durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und den TMG-Vorläufer Teledienstgesetz untersagt. Die neue Regelung im TMG stellt nun ausdrücklich auf die Gestaltung der Kopf- und Betreffzeile ab und schafft zudem einen neuen Ordnungswidrigkeitstatbestand. Somit drohen künftig nicht nur Abmahnungen von Mitbewerbern und klagebefugten Verbänden, sondern auch Ordnungswidrigkeitsverfahren und Buß gelder von bis zu 50.000 Euro.
Die E-Mail-Marketer lehnen das Gesetz strikt ab. Hauptkritikpunkt ist das Fehlen einer klaren Definition der Tatbestände Verschleierung und Verheimlichung. "Die Formulierung ist Wischiwaschi", sagt Agnitas-Vorstand Martin Aschoff. So sei es beispielweise unklar, ob die Betreffzeile "Kostet Ihre Krankenversicherung zu viel?" den kommerziellen Charakter verschleiert.
Die Entscheidung wird damit auf die Gerichte übertragen. "Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auszutesten, wo die Richter stopp! sagen", so Aschoff. Der E-Mail-Marketing-Experte warnt seine Kollegen aber eindringlich davor, ihre Werbe-Mails im Sinne des TMG durch eine Abkürzung wie W für Werbung zu kennzeichnen. Begründung: Dann stellen die Nutzer ihre Spam-Filter darauf ein, und die Werbe-Mails verschwinden im digitalen Nirwana.
Der Branchenverband DDV will ob der unklaren Rechtslage vorerst nichts unternehmen. Das Council Digitaler Dialog sammelt bis Monatsende die Fragen seiner Mitglieder zum Thema und wird das Positionspapier des DDV zum TMG konkretisieren. "Es herrscht eine gelassene Unsicherheit vor", berichtet Council-Chef Sebrus Berchtenbreiter. Die Gelassenheit zieht der Promio.net-Chef vor allem aus der TMG-Formulierung "absichtlich". "Hier ist von vorsätzlicher Irreführung die Rede, und die muss erst einmal nachgewiesen werden." Rückenbedeckung bekommt er dabei vom Erklärungstext des TMG: "Die Vorschrift zielt nicht auf Bagatellfälle, in denen beispielsweise kleine Unternehmen versehentlich irreführende Angaben machen, weil sie sich vorher über die Anforderungen bei den Informationspflichten nicht hinreichend in Kenntnis gesetzt haben."
Doch solange das nicht einwandfrei feststeht, müssen die E-Mail-Marketer Einschränkungen bei ihrer kreativen Freiheit hinnehmen. "Problematisch könnten alle elektronischen Werbebotschaften sein, die im Betreff nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind", erklärt Oliver Süme vom Internetverband Eco. Doch gerade die Betreffzeile diene im E-Mail-Marketing dazu, auf den eigentlichen Inhalt neugierig zu machen und Spannung aufzubauen. "Dieser Kreativität können künftig Grenzen gesetzt werden", sagt der Eco-Jurist.
Noch stärker ist die Kreativität der E-Mail-Marketer durch die Bildunterdrückung in den Microsoft-Programmen Outlook und Microsoft Live Mail beeinträchtigt. Bereits jetzt stellt der marktbeherrschende E-Mail-Client Outlook keine Bilder innerhalb der empfangenen E-Mails dar. Wer die Grafiken und Fotos trotzdem sehen will, muss diese per Mausklick aktivieren oder in den Einstellungen die Darstellung von Bildern grundsätzlich erlauben.
Ab März kommt dieses Verfahren auch beim Freemail-Programm Windows Live Hotmail zum Einsatz, das Microsoft mit großer Marketing-Po-wer in den Markt treibt. Allerdings sucht der User dort in den Einstellungen vergebens nach einem Kästchen, bei dem man die Darstellung von Bildern in E-Mails generell erlauben kann. Dies passiert nur dann, wenn man den Versender zu seinem Adressbuch hinzufügt. "Das ist ein starker Indikator dafür, dass man den Versender kennt und ihm somit auch vertraut", erklärt Epsilon-Deutschland-Chef Swen Krups die dahintersteckende Logik.
Diese kommt auch bei den Freemailern AOL und Google zum Tragen. Letzterer dürfte durch den Wegfall der Einladungspflicht und die Verbesserungen beim mobilen Zugriff in den nächsten Monaten deutlich mehr Zulauf verzeichnen.
Öffnungsrate verliert Aussagekraft
Ob die anderen Provider dem Beispiel von AOL, Google und Microsoft folgen, ist noch unklar. Krups hält diese Entwicklung, die in den USA schon stark fortgeschritten ist, für unausweichlich. Der Marktführer United Internet (Web.de, GMX und 1 & 1) verneint entsprechende Pläne. Der mehrstufige Spam-Schutz mache den Einsatz von Techniken wie Bildunterdrückung überflüssig.
Bei AOL, Google und Microsoft ist die Spam-Bekämpfung das Hauptargument für die Bildunterdrückung. Der Grund: Spam-Versender verwenden Grafiken, um Spam-Filter zu umgehen und um ihre Adressen zu validieren. Schließlich wird die Öffnung einer Mail durch Zählpixel gemessen, die sich in Bildern befinden. Außerdem werden häufig Viren und Spionage-Software in Form von Bilddateien verschickt.
Negativer Nebeneffekt dieses Anti-Spam-Instruments ist der Qualitätsverlust bei der Erfolgsmessung. "Der Parameter Öffnungsrate verliert an Aussagekraft", sagt Rabbit-Geschäftsführer Sinn. Krups sieht das anders. Seiner Meinung nach wird die Öffnungsrate dadurch realistisch. "Wer sich wirklich für den Newsletter interessiert, der lässt sich die Bilder auch anzeigen." Allerdings muss auch er zugeben, dass nur ein geringer Anteil von Nutzern Änderungen an seinen Einstellungen vornimmt.
Um diese Rate zu erhöhen, rufen die deutschen Newsletter-Versender ihre Nutzer seit kurzem verstärkt in der gesamten Kommunikation (Anmeldungs-Site, An- und Abmeldebestätigung, Newsletter) dazu auf, Bilder grundsätzlich zu akzeptieren, zum Beispiel durch Hinzufügen des Versenders ins Adressbuch. Lockmittel ist beispielsweise die Darstellung hochwertigen Contents als Grafik.
Die Alternative besteht darin, Abstriche bei der Gestaltung zu machen. So können beispielsweise statt grafischer Elemente auch farbige Überschriften, unterschiedliche Schriftgrößen und andere Hintergrundfarben eingesetzt werden. Nach Ansicht von Maike Joana Kruse ist die Rückkehr zu alten Text-Mails keine Verlegenheitslösung. "In unserer Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass Text-E-Mails gar nicht unbedingt schlechter performen, wenn der Inhalt stimmt."
Grundregel ist auf jeden Fall die Option, den Newsletter per Mausklick im Browser anzeigen zu lassen. Außerdem raten die Experten, alle in den Bildern dargestellten Inhalte parallel auch in Textform anzubieten, zum Beispiel in Form von so genannten Alt-Texten. "Man darf sich bei Newsletters nicht auf die Aussagekraft der Bilder verlassen", warnt beispielweise Klaus Artmann von Mission One. brö
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de