Deutsche Bahn sucht Nähe zum Kunden

31.08.2004 - Börsenkandidat startet Marketingoffensive

Die Bahn steuert auf die Börse zu: Dafür wird nicht nur die Marketingabteilung komplett umgekrempelt, Konzernchef Mehdorn setzt auch ein vor Jahren abgeschafftes Instrument zur Erzeugung von Kundennähe wieder ein: den Kundenbeirat.

Über die Bahn wird gern und oft genörgelt. Und nicht immer zu recht. Dass es dem Unternehmen aber tatsächlich an Kundennähe mangelt, stellte zuletzt eindrucksvoll Bahn-Chef Hartmut Mehdorn unter Beweis, als er im Frühjahr 2003 die öffentliche Kritik am reformierten Preissystem kommentierte: Da wurde der Kundenverein Pro-Bahn als "typisch deutscher Mecker-Verein" beschimpft, und der Stiftung Warentest bescheinigte Mehdorn, "durch realitätsfremde und einseitige Testbeispiele negative Ergebnisse herbeigetestet" zu haben. Um die Wiederholung eines solchen Super-GAUs zu verhindern, bemüht sich das Unternehmen derzeit um mehr Nähe zum Markt und zum Kunden. Unter anderem erlebt die Institution "Kundenbeirat" eine Neuauflage. Eine ähnliche Einrichtung hatte der mittlerweile geschasste Bahnvorstand Christoph Franz vor vier Jahren aufgelöst - um anschließend das beispiellos gescheiterte Preissystem zu entwickeln.

Ende Juni trafen sich die 32 frisch ernannten Beiratsmitglieder zur konstituierenden Sitzung in Berlin. Das Gremium bildet eine repräsentativen Querschnitt quer durch alle Bahnfahrerschichten - wie Viel- und Wenigfahrer, junge Bahnkunden und Senioren, privat und Geschäftsreisende. Sie sind für je zwei Jahre gewählt, die Bahn trägt Reisekosten, Hotelübernachtung und zahlt ein Sitzungsgeld.

Zweimal im Jahr soll der Beirat an wechselnden Tagungsorten zusammen kommen - unter der Schirmherrschaft von Vorstand Personenverkehr Dr. Karl-Friedrich Rausch. "Der Dialog mit den Kunden ist uns wichtig. Mit dem Kundenbeirat wollen wir diesen Dialog intensivieren", sagt Bahn-Sprecher Achim Stauß. Das Gremium sei allerdings keine Beschwerdestelle, dafür gebe es weiterhin den Kundendialog. Auch die Gespräche mit Sozialverbänden würden fortgesetzt.

Bereits in der Studie "Kundenmonitor Deutschland" aus dem Jahr 2001 war deutlich geworden, dass die Mehrheit (59 Prozent) der Kunden von der Verständlichkeit das Tarifsystems "enttäuscht" sind, nur acht Prozent sind davon "überzeugt". Ähnlich sieht es beim Preisleistungsverhältnis aus, von dem immerhin nur jeder zweite Bahnkunde "enttäuscht" ist, der Rest ist "überzeugt" (acht Prozent) oder "zufrieden" (42 Prozent). Viele der Kunden waren unzufrieden mit der Informationspolitik in Verspätungsfällen, mit der Pünktlichkeit und dem Platzangebot - Probleme, die auch in Berlin auf die Tagesordnung kamen. In vier Arbeitsgruppen sollen sich die Beiratsmitglieder künftig mit den Themen Fahrplan bzw. Preissystem, Vertrieb (Ticketverkauf), Qualität und Service sowie dem Beschwerdemanagement beschäftigen.

Bis zum geplanten Börsengang im Frühjahr 2006 bleibt noch viel zu tun. Während das Unternehmen im ersten Halbjahr 2003 nach Zinsen erneut 62 Millionen Euro Betriebsverlust einfuhr, setze Bahn-Chef Mehdorn zunächst das Thema Marketing auf die Agenda. Nun krempelt Ralf Klein-Bölting, seines Zeichens Generalbevollmächtigter für das Konzernmarketing, seine Abteilung gründlich um. Ein Etappenziel lautet, die zahlreichen Marken der verschiedenen Geschäftsbereiche unter dem Dach der Bahn in einer Corporate Identity zusammen zu führen. Der Weg: Eine drei-Säulen-Strategie, die sich auf die Bereich Konzernmarketingstrategie, Konzermarkenführung und Konzernmarketing-services und Media stützt.

Die Markenführung und -Kommunikation übernimmt ab Oktober der derzeitige Director Corporate Marketing von Nestlé, Frank Schübel. Der 39-Jährige löst Thomas Gebert ab, der bisher das konzernweite Werbebudget von 78 Millionen Euro (2003) verantwortete. Gabriele Handel-Jung (52) kümmert sich künftig um Marketingservices und Events.

Ein strategischer Kopf an der Seite Schübels wird noch gesucht. Welche Folgen das alles für das Dialogmarketing und die Dienstleister des Konzerns haben wird, will der Konzern im Herbst bekannt geben. asc

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