"Aus Kundensicht scheitern fast alle CRM-Projekte"

28.06.2004 - Interview mit Martin Nitsche anlässlich der CRM World 2004

asc Wie wichtig ist die Strategie, welche Rolle spielt Technik bei der Einführung und Umsetzung von CRM-Projekten in Unternehmen? Anlässlich der CRM World 2004 sprach ONEtoONE mit Martin Nitsche, Gesellschafter der Hamburger Agentur argonauten360° und Referent auf der Frankfurter Kongressmesse.

ONEtoONE: Viele CRM-Projekte scheitern. Woran liegt es?

Martin Nitsche: In der Anfangszeit scheiterten viele CRM Projekte bereits in der Entstehungsphase: Budgets wurden überschritten, der Zeitplan überzogen und euphorisch geplante Bestandteile nicht vollständig realisiert. Inzwischen ist das Know-how gewachsen. Aus der Sicht des Kunden muss man allerdings fast alle CRM-Bemühungen der Unternehmen für gescheitert erklären. Eine aktuelle Studie brachte ans Licht, dass erstaunliche 95 Prozent der untersuchten europäischen Unternehmen nicht wussten, dass bereits eine E-Mail verschickt wurde, wenn derselbe Anrufer seine Frage per Telefon wiederholte. Dieselbe Untersuchung ergab, dass ein und die gleiche Frage in 85 Prozent der Fälle per E-Mail anders beantwortet wurde als am Telefon. Selbst bei "erfolgreichen" CRM-Projekten spürt der Konsument oft nichts davon. Und Unternehmen sehen auch nur in wenigen Fällen den Return-on-Investment.

OtO: Warum tun sich Unternehmen so schwer damit, sich auf Ihre Kunden auszurichten?

Nitsche: Ganz einfach: Weil es so kompliziert ist. Und je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger ist die Realisierung von CRM. Nach der ADAC-Pannenstatistik hatte von 10.000 im Jahr 2003 gebauten Toyotas Avensis nur ein einziger im gleichen Jahr noch eine Panne. Aber während der Recherche zu unserer Studie zum Interessenten-Management "Fast hätte ich ein Auto gekauft" sagte ein Toyota-Händler auf unsere Fragen zur Sonderausstattung "Weiß ich nicht, aber ich lerne durch die Fragen meiner Kunden." Es scheint so, als hätten die Unternehmen die Produktion im Griff, nicht aber die Kundenbeziehungen.
Die Gründe dafür sind vielfältig, zumeist liegt es aber an der mangelnden Abstimmung zwischen Abteilungen und Kommunikationskanälen. Der Kunde unterscheidet nicht zwischen der Marketing-, der Vertriebs- und der Serviceabteilung, das Unternehmen sehr wohl. Wenn diese Bereiche dann bis auf Vorstandsebene getrennt sind, dann muss sich keiner wundern, wenn das Unternehmen, frei nach Karl May, "mit gespaltener Zunge spricht".

OtO: Versuchen die Unternehmen überhaupt ernsthaft, CRM zu leben?

Nitsche: Bei McKinsey heißt es "Client first", die von McKinsey beratene Deutsche Bank schreibt in ihrem Leitbild unter dem Stichwort Kunden-Fokus: "Der Kunde steht im Mittelpunkt aller unserer Aktivitäten. Wir orientieren uns kompromisslos an seinen Zielen und Wünschen." Der gute Wille ist in den meisten Fällen vorhanden. Warum haben wir als Kunde dann doch selten das Gefühl, "in der ersten Reihe zu sitzen"? Der Kunde macht es den Unternehmen nicht leicht, er ist preisbewusster, kritischer und weniger vorhersehbar geworden - heute Aldi, morgen Gucci. Und neben dem Kundennutzen muss das Unternehmen auch den Unternehmenszweck, Umsatz- und Gewinnwachstum beachten. In schwierigen Zeiten ist dann das Hemd näher als die Hose.

OtO: Der größte Teil der Investitionen beim Einstieg ins CRM fließt in die IT: Welche Rolle spielt die Technik tatsächlich bei der erfolgreichen Umsetzung einer CRM-Strategie?

Nitsche: In unserer technologisierten Welt ist das Beherrschen der Technologie notwendige Voraussetzung für funktionierendes CRM. Die Vernetzung aller Kontaktpunkte mit dem Kunden ist genau wie die Qualität der Kundendatenbank das Fundament, auf dem man aufbauen kann. Allerdings reicht die Bereitstellung der Technik nicht aus. Die hinreichende Bedingung - um in der Mathematik zu bleiben - lautet: Die Technik muss auch genutzt werden. Die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, mit der Technik umzugehen und eventuell angespornt werden, es zu tun.

OtO: Welche neuen Perspektiven tun sich durch neue Technologien auf? Oder werden die Systeme nur schneller und teurer?

Nitsche: Auf der Systemseite muss CRM heute nicht mehr teuer sein. Es gibt gute Lösungen für kleine Unternehmen, die bei 100 Euro anfangen. Und auch für größere Firmen sind die Kosten, etwa für Software-Lizenzen, gesunken. Für einige kann auch CRM-on-Demand als ASP-Lösung eine sinnvolle Alternative sein.
Durch neue Technologien wird es noch wesentlich erweiterte Möglichkeiten für CRM geben. Denken Sie an Stichworte wie elektronisches Papier oder individuelles Fernsehen. Eine britische Firma verkauft ein elektronisches Werbeplakat, das Geschlecht und Alter des Betrachters erkennt und die Werbebotschaft entsprechend anpasst. Wenn Unternehmen CRM nutzen, um relevante Botschaften über relevante Kanäle zu den relevanten Kunden zu bringen, dann ergeben sich nicht nur neue Perspektiven, dann wird CRM auch den Erfolg bringen, den sich Unternehmen und Kunden wünschen.

Ihr Guide im New Marketing Management - ab 6,23 im Monat!

Hat Ihnen diese Beitrag weiter geholfen? Dann holen Sie sich die ONEtoONE-Premium-Mitgliedschaft. Sie unterstützen damit die Arbeit der ONEtoONE-Redaktion. Sie erhalten Zugang zu allen Premium-Leistungen von ONEtoONE, zum Archiv und sechs mal im Jahr schicken wir Ihnen die aktuelle Ausgabe.

Diskussion:

Vorträge zum Thema:

  • Bild: Thilo Kerner
    Thilo Kerner
    (Sybit GmbH)

    Wie Sie ein wirklich sinnvolles Management-Dashboard für Marketing und Vertrieb aufsetzen

    Wie definieren Sie die wirklich wichtigen KPIs für Marketing und Vertrieb? Und wie steuern Sie dann mit diesen Ihre Marktbearbeitung erfolgreich? Thilo Kerner, Chief Revenue Officer der Sybit GmbH zeigt an Beispielen aus der konkreten Vertriebs- und Marketingpraxis, wie ein wirklich nützliches Marketing-Dashboard aussehen muss und wie Sie kennzahlengesteuertes Management im Unternehmen aufsetzen. Außerdem liefert er Tipps und Strategien, um KPIs effektiv im Geschäftsalltag Ihres Unternehmens zu integrieren.

    Vortrag im Rahmen der Daten & KI 2024. Künstliche Intelligenz, Datengestütztes Marketing und Vertrieb am 14.05.24, 10:00 Uhr

Anzeige
www.hightext.de

HighText Verlag

Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling

Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de

Kooperationspartner des

Folgen Sie uns:



Besuchen Sie auch:

www.press1.de

www.ibusiness.de

www.neuhandeln.de