E-Mail-Marketing versus Spam-Filter: Ein Jahr danach

28.06.2004 - Mitte 2003 begann die Spam-Problematik, sich zur existenziellen Gefahr des seriösen E-Mail-Marketings zu entwickeln. Gut ein Jahr später ziehen die Anbieter eine durchwachsene Bilanz im Kampf gegen die Folgen des elektronischen Werbemülls.

Das größte Problem stellen nach Aussage der meisten Unternehmen immer noch die Spam-Filter der großen Provider dar, denen - wie der E-Mail-Markter Agnitas herausfand - neben Millionen Spam-Mails auch gut zehn bis zwanzig Prozent der erwünschten (Permission-basierten) E-Mail-Werbung zum Opfer fallen.

"Die Anti-Spam-Maßnahmen der Provider machen einem das Leben nicht gerade leicht", beklagt adjoli-Chef Robert Holtzapfel. Doch selbst wenn es den Anbietern gelingt, die Hürde Spam-Filter zu überwinden, stehen sie immer noch vor dem Problem, dass es heutzutage äußerst schwierig ist, inmitten der Mail-Flut nicht unterzugehen. "Seriöse Mails werden vom Adressaten nicht mehr wahrgenommen", sagt interactive-tools-Chef Robert Birker.

Dazu kommt die hohe Empfindlichkeit des deutschen Users. Nach Beobachtung von Ben Regensburger, Managing Director des E-Mail-Marketing-Dienstleisters DoubleClick, reagieren die deutschen Verbraucher unter allen Anwendern in Europa am negativsten auf Spam. Der Deutsche Multimedia Verband sieht in Folge der Spam-Flut sogar die Akzeptanz der E-Mail-Kommunikation gefährdet und betont, dass die bisherigen Selbstverpflichtungen und rechtlichen Bestimmungen noch längst nicht weit genug reichen. Solange es den Marktteilnehmern nicht gelinge, globale Einigungen zu erzielen, werde das Spam-Problem immer größere Dimensionen annehmen.

Derzeit beträgt der Anteil des Werbemülls am gesamten E-Mail-Aufkommen - je nach Schätzung - weltweit zwischen 55 und 76 Prozent. Hier zu Lande verzeichnete der Münchner Spam-Filter-Hersteller Tpilot im Mai einen Spam-Anteil von 74 Prozent. Mit steigender Tendenz. Die Folge: Viele Nutzer geben nur noch selten ihre E-Mail-Adresse preis, womit dem Permission-basierten E-Mail-Marketing die Basis entzogen wird.

Weniger dramatisch sieht Regensburger die derzeitige Situation. Seiner Ansicht nach hatte Spam bislang keinen negativen Einfluss auf die Kommunikation mit bestehenden Kunden. Lediglich die Neukundengewinnung sei davon betroffen gewesen. Inzwischen nehme das Spam-Problem wieder ab, da wirksame Spam-Filter zur Verfügung stünden.

Stefan Honig von Claritas Deutschland betont, dass werbetreibende Kunden durchaus zwischen Permission-Marketing und Spam unterscheiden könnten, was den Schaden für seriöse Firmen in Grenzen halte. Laut eCircle-Chef Volker Wiever sind vom Spam-Problem nur die Anbieter ernsthaft betroffen, die "schon immer eher auf Reichweiten als auf die Qualität ihrer Listen gesetzt haben". Das heißt: Es werden vorwiegend diejenigen bestraft, die unvorsichtig sind.

newsmarketing.de-Leiterin Maike Joana Kruse ist gar der Meinung, dass das E-Mail-Marketing von der Spam-Krise profitiert. Vor ein bis zwei Jahren hätten viele Kunden noch dubiose Adress-Sammlungen gekauft. Nun traue sich das keiner mehr und bezahle lieber den höheren Tausenderkontaktpreis.

Auch der E-Mail-Marketing-Experte Dr. Torsten Schwarz sieht mehr Chancen als Risiken. Seiner Meinung nach entsteht zurzeit ein neuer Markt: Es reiche nämlich nicht mehr, die Mails der Kunden einfach zu verschicken. Stattdessen müsse der Dienstleister dafür Sorge tragen, dass die Mails auch wirklich ankommen. Laut Schwarz bieten längst noch nicht alle E-Mail-Marketer diesen Service an. "Die meisten dümpeln und schlummern in Unkenntnis. Denen ist gar nicht bewusst, dass da ein Problem besteht", erklärt Schwarz.

Das am weitesten verbreitete Mittel gegen die fälschliche Identifizierung erwünschter E-Mail-Werbung als Spam ist das so genannte Whitelisting. Dazu nimmt der Versender Kontakt mit den Providern auf, um ihnen zu beweisen, dass es sich bei seinen Mails um seriöse und Permission-basierte E-Mail-Werbung handelt. Gelingt ihm das, kommt er auf eine Positivliste mit Versendern, deren E-Mails prinzipiell nicht aussortiert werden.

Ende September könnte sich dieser zurzeit noch sehr mühsame Prozess vereinfachen. Dann will die Anti-Spam-Task-Force des Internetverbands eco ihr Konzept eines so genannten Trusted Network vorlegen. Um diesem erlesenen Kreis anzugehören, müssen die Versender offen legen, wie sie ihre Mails verschicken und woher sie die Adressen beziehen. Erfüllt der Versender die Qualitätsstandards des Netzwerks, erhält er ein Zertifikat und kommt auf eine zentrale Whitelist. Auf diese greifen die Provider dann bei der Aktualisierung ihrer Filter ausschließlich zu. Gleichzeitig werden die Filter restriktiver eingestellt.

Ein großer Vorteil des Trusted-Network-Modells besteht darin, dass es auch ausländische Spammer treffen würde, bei denen die Mittel Selbstverpflichtung und Gesetze bislang nur äußerst selten griffen, unter anderem deshalb, weil sie sich nicht an deutsche Regelungen halten müssen. Ein Trusted Network hätte dagegen zur Folge, dass die Spammer immer öfter in Filtern hängen bleiben, da sie mit Sicherheit kein Zertifikat bekommen.

Entscheidend für den Erfolg dieses Modells ist Aschoffs Auffassung nach die Höhe der Gebühren für die Mitgliedschaft eines solchen Netzwerks. Müssen die Versender zu viel für die regelmäßige Prüfung und Bearbeitung von Beschwerden aufwenden, bestehe die Gefahr, dass zu wenig E-Mail-Marketer mitmachen, was das Projekt zum Scheitern verurteilen würde.

Eine mögliche Alternative wäre die Umsetzung des Microsoft-Plans, das Verschicken von E-Mails kostenpflichtig zu machen, was die Spammer höchstwahrscheinlich finanziell ruinieren würde. Schwarz hält eine Gebühr von einem Euro pro Tausend bei einer Mindestanzahl von 10.000 Mails für sinnvoll. Das Problem dabei: Das Modell klappt nur, wenn sich alle Provider weltweit darauf verständigen. Zudem ist der Erfindungsgeist der Spammer nicht zu unterschätzen: "Die werden bestimmt irgendwelche Tricks finden, das trotzdem hinzukriegen", prophezeit Schwarz. Dass die Spammer mit allen Wassern gewaschen sind, haben sie erst vor kurzem bewiesen, als sie eine Reihe von Privatrechnern hackten, um von dort aus Massen-Mails in kleinen Portionen zu verschicken. "Dagegen ist man relativ machtlos", beklagt Schwarz. brö

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