Passport: Bedenklich oder nützlich?

20.11.2001 - Microsoft steht einmal mehr in der Kritik der Datenschützer.

Microsoft steht einmal mehr im Kreuzfeuer der Kritik. Datenschützer und Konkurrenten stoßen sich an dem neuen Service namens Passport: Was offiziell als Authentifizierungs-modul für Online-Surfer gedacht ist, etwa um bei Online-Bestellungen nicht immer wieder die persönliche Lieferanschrift eingeben zu müssen, diene vielmehr der Erstellung detaillierter Nutzerprofile, so die Passport-Gegner. Microsoft hingegen versichert, diese Daten nicht weitergeben zu wollen. Datenschützer halten dagegen. Die Frage ist, wer eigentlich das Angebot nutzen wird.

Passport ist ein Teil der Microsoftschen Internet-Vision namens .NET. Das Internet ist demnach die zentrale Kommunikationsplattform, auf die Nutzer mit allen möglichen Endgeräten zugreifen, Computer, Handy oder Terminal. Passport erlaubt hierbei den Zugriff auf Microsoft-Dienste wie E-Mail-Postfach (Hotmail), Chat (Messenger), Terminplaner und Adressbuch mit einem einzigen Username. Vor allem aber können Passport-Nutzer ihre persönlichen Daten bis hin zu Anschrift und Kreditkartennummer zentral archivieren und ein persönliches Interessenprofil angeben. Das Ganze nennt sich dann Passport Wallet.

Die Konsumenten werden es lieben und hassen. Lieben, weil etwa im E-Commerce lästige Mehrfacheingaben der Lieferanschrift entfallen. Hassen, weil eine gewaltige Datenbank entsteht, die Microsoft in den Besitz von hochinteressanten und umfangreichen User-Profilen bringt.

Selbstverständlich werde man den Datenschutz achten, erklärt der EDV-Riese. Online-Händler, die via Passport auf die zentral abgelegten Daten des Users zugreifen, müssen strenge Datenschutzregeln akzeptieren. Helmut Wilke, Chef des Mitbewerbers Sun sieht dies anders, glaubt vielmehr, das Grundprinzip von Passport sei nicht der Datenschutz, sondern die Weitergabe der Daten an Marketingpartner. Falsch, entgegnet Bernhard Grander, Pressesprecher des Web-Portals MSN, das die Microsoft-Dienste unter einem Hut vereinigt: "Diese Vorwürfe treffen definitiv nicht zu."

Was Datenschützer aufregt, dürfte die Adressbranche entzücken: ein möglicher Bestand an Millionen Nutzerprofilen, die weitaus mehr als nur einen nichts sagenden Username enthalten. "Wir würden uns freuen, wenn wir diesen Bestand vermarkten könnten", erklärte ein Branchenvertreter. Dass Microsoft die Bestände selbst vermarktet und somit eine riesige Konkurrenz zu den etablierten Listbrokern bildet, daran glaubt keiner so recht. "Wer E-Mail-Datenbanken braucht, der geht doch auf die Branchenexperten zu", ist auch Matthias Brock, Sprecher von schober.com überzeugt. Eine Einschätzung, die auch von einem anderen großen Listbroker geteilt wird. Demnach ist Microsoft und sein Passport-Datenpool keine Konkurrenz im Adress-Brokerage.

Das Potenzial ist beträchtlich: Weltweit, so Microsoft, gibt es bereits 165 Millionen Passport-Konten. Nur: Allein 110 Millionen Postfächer des eigenen E-Mail-Dienstes Hotmail wurden flugs zu Passport-Konten umdeklariert. Und während Online-Nutzern eine anonyme Anmeldung leicht fallen dürfte, um kostenlose Dienste nutzen zu können, ist die virtuelle Speicherung persönlicher Daten eine völlig andere Angelegenheit. Auch wenn dies das E-Shopping etwas bequemer macht.

Microsoft-Mann Grander glaubt daher, dass die Zahl der tatsächlichen Wallet-Nutzer wesentlich geringer sein wird. "Die überwältigende Mehrheit der Verbraucher ist zurzeit nicht am Passport-Dienst interessiert", sagen die Forscher von der Gartner Group. Eine "ernüchternde Realität", die sich die Analysten mit Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Datenspeicherung, der Privatsphäre und Weitergabe der Daten an Dritte erklären.

Allerdings geht die gleiche Studie davon aus, dass sich die Nutzer des neuen PC-Betriebssystems WindowsXP in Millionenzahl bei Passport anmelden werden. Warum? Sun verweist auf die Eigentümlichkeit von XP, das bei der Installation mehrmals die Passport-Registrierung anbietet - und unbedarfte PC-Nutzer glauben lässt, dass sie sich erst für Passport registrieren müssen. Einmal dazu aufgefordert, könnten die meisten von ihnen dann die Möglichkeit nutzen, sich mit einer Anmeldung von der wiederholten Dateneingabe im E-Commerce zu "befreien", sagen die Gartner-Analysten.

Passport kann nur funktionieren, wenn die E-Commerce-Branche mitzieht und den Dienst integriert. Ein einfacherer Bestellvorgang und Microsofts Marketingpower könnten so manchem Online-Shop zusätzliche Interessenten zuführen, zudem dürfen die Online-Shops auch auf ihren Sites eine Passport-Anmeldung anbieten. Passport ist dabei an sich nichts Neues: Beim BOL-Bestellvorgang reicht etwa die Eingabe des Username samt Passwort aus, um die persönlichen Daten aus der Firmendatenbank abzufragen. Noch nutzen nur 70 US-Partner die Passport-Dienste. Immerhin: Unter den fast 200 namentlich genannten Interessenten finden sich sowohl Dell als auch Fuji Film.

Schober.com-Mann Brock hält Passport für bedenklich. Sicher werde Microsoft die Gelegenheit nutzen, um aus den Daten Informationen für die Optimierung eigener Produkte gewinnen zu können: Was kauft der Konsument ein und wo? Kommentar eines ansonsten Microsoft-freundlichen Internet-Surfers in einem Diskussionsforum: "Wer wirklich auf Nummer sicher gehen will, dass kein Dritter an irgendwelche Daten von einem herankommt, der darf nie wieder ins Internet", so User Bernd, "und sollte auch sonst jeden Postverkehr sofort beenden." mac

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