New Economy: Zwischen Campus und Kommerz

14.04.2001 - Patrick Palombo hat überraschend WWL verlassen

vh Patrick Palombo gilt in der Branche als so etwas wie die Fleisch gewordene Symbiose von Old und New Economy. Über zwanzig Jahre war er für Quelle tätig, baute dort den Bereich Neue Medien auf, 1999 wechselte er als Vorstandsvorsitzender zum Internet-Dienstleister WWL. Palombo, auch als DDV-Vizepräsident E-Commerce und Neue Medien äußerst beliebt, schien der Garant dafür zu sein, dass die New Economy doch irgendwie was Solides ist. Im März hat Palombo WWL überraschend verlassen. ONEtoONE hat gefragt, warum:

ONEtoONE: Warum haben Sie bei WWL das Handtuch geworfen?
Patrick Palombo: Es gibt persönliche Differenzen zwischen mir und Teilen des Aufsichtsrats, bzw. der Hauptgesellschafter. Trotzdem: Ich halte dieses Unternehmen nach wie vor für eins der leistungsfähigsten in bestimmten Teilen des E-Business. Und die operative Mannschaft ist hochgradig kompetent.
OtO: Welches sind die Kardinalfehler der New Economy?
Palombo: Ein Fehler ist sicher, dass vor dem Börsengang kein Wert darauf gelegt wird, Grundstrukturen, etwa in Vertrieb, Marketing und Controlling, zu etablieren. Nach dem Börsengang hat man keine Zeit, vernünftige Strukturen einzuziehen. Dann wird man nämlich vom Markt unter Druck gesetzt, einen Erfolg und eine Neuheit nach der anderen zu bringen.Die Haupttreiber sind die Analysten, die wenig vom Geschäft verstehen (das aber dafür gründlich), die Aktionäre und last not least Teile der Presse, die undifferenziert alles und jeden aus der New Economy in einen Topf werfen. Die Gründer und Gesellschafter begehen den Fehler, nicht loslassen zu können. Sie sind in der Zwickmühle zwischen der Sehnsucht nach ewiger Campus-Mentalität, in der sich alle lieb haben, und dem Aufbruch in betriebswirtschaftliches und marktkonformes Verhalten.Strukturen sind und bleiben fremd, Hierachien ein Gräuel. Das Strukturwachstum auf Teufel komm raus bringt Integrations- und Steuerungsfrust. Auslandsstrategien sind solange ein Witz, wie ein Unternehmen nicht in der Lage ist, sein lokales Geschäft gut zu betreiben. Oder, frei nach Frankieboy: "If you make it here, you make it everywhere." Das ‘Sichverzetteln´ ist einer der Kardinalfehler der New Economy. Die letzten Reste eines Profils verschwimmen, wenn ein Unternehmen zum virtuellen Bauchladen mutiert und alles kann - nur nichts richtig.
OtO: Und welche Vorteile haben Unternehmen der New Economy?
Palombo: Sie sind nach wie vor schnell und hoch flexibel. Wenn es nicht die rotzfrechen Online-Retailer gegeben hätte, würde manch einer aus der so genannten Old Economy seinen Dornröschenschlaf immer noch schlafen. Mitarbeiter der neuen Unternehmen sind nach wie vor hungrig und versehen mit hohem Engagement und Leidensdruck ihre Aufgaben. Auch diese Ressourcen sind endlich, nach wie vor aber im hohen Grade vorhanden.Einer der wesentlichen Vorteile ist, dass man keine jahrzehnte-, manchmal jahrhundertealten Altlasten mit sich rumschleppt.
OtO: Wie schätzen Sie generell die Zukunft der New Economy ein?
Palombo: Man wächst zusammen. Während alle von der Konvergenz der Medien sprechen, spreche ich von der Konvergenz der Wirtschaft. Es gibt nur eine "true economy" mit einer obersten Prämisse, und die ist Rentabilität. Unternehmen werden fusionieren, sich kaufen lassen oder pleite gehen. Nur die wenigsten schaffen es, aus eigener Kraft dauerhaft eine Größe am Markt zu werden und zu bleiben.
OtO: Was ist Ihr ultimativer Ratschlag für Manager, die von der Old in die New Economy wechseln?
Palombo: Einen gesunden Menschenverstand behalten und sich nicht vom möglichen schnellen Geld und von ach wie großen Freiheiten blenden lassen. Man muss vor allem die tatsächlichen Schlüsselfiguren des Unternehmens identifizieren und Chancen und Risiken der unternehmerischen Freiheiten abschätzen. Aus heutiger Sicht sollte es keine Front zwischen Old und New geben, sondern eine Symbiose, von der beide Seiten profitieren.
OtO: Wie sieht Ihre persönliche berufliche Zukunft aus?
Palombo: Nach einer enormen Resonanz, die mich per Telefon, E-Mail, Brief und persönlichen Kontakten erreicht hat, bin ich erschlagen vom positiven Feedback. Zu erfahren, dass die meisten sowohl mich als auch die Situation richtig einschätzen, tut dem Selbstbewusstsein gut. Die Entwicklung des Börsenkurses und die Reaktion der Analysten hat das noch unterstrichen. Ich sehe diese Entwicklung aber auch mit einem weinenden Auge, da ich an die Mannschaft und die Kernkompetenzen der WWL glaube und ich selber auch meinen kleinen Anteil wachsen sehen möchte. Ich werde nun ohne Hast die Angebote sortieren - die Bandbreite reicht von selbstständigen Beratungsdiensten über Lehrstuhlangebote bis hin zu Chancen in der Old Economy. Es ist wie bei der großen Liebe: Man weiß nicht, wann sie kommt und wie sie aussieht, wenn sie aber vor einem steht, weiß man, dass sie es ist.

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