24.11.2008 - Nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum Bundesdatenschutzgesetz besteht kein Grund zur Entwarnung. Eine Analyse von Ralf Rösler.
Die Reaktionen auf den Referentenentwurf zur Änderung des BDSG fallen heftig aus. Kein Wunder, heißt es doch auf Seite 27 der Entwurfsbegründung: "Die konkrete Umsetzung bleibt der Wirtschaft überlassen, wird aber mit gewissen Kosten verbunden sein." Eine freundliche Umschreibung für drohende Kosten und Umsatzausfälle in Milliardenhöhe. Der Entwurf wirft zudem zahlreiche Fragen auf. Das gilt insbesondere für die beiden Ausnahmen vom Werbeverbot "Eigenwerbung im Vertragsverhältnis" und "Spendenwerbung".
Die Bewerbung eigener Angebote soll ohne Einwilligung möglich sein, wenn die erforderlichen Daten im Rahmen eines Vertrages oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses beim Betroffenen erhoben wurden, § 28 (3) Nr. 1 BDSG-E. Das erlaubt nur adressierte Werbung gegenüber Bestandskunden, nicht aber gegenüber potenziellen Neukunden. Wenn die Adressen nicht unmittelbar beim Betroffenen erhoben wurden, sondern etwa aus allgemein zugänglichen Quellen stammen, wäre eine Bewerbung sogar gänzlich ausgeschlossen. Das ist unverhältnismäßig, denn der Verbraucher ist bei allgemein zugänglichen Adressdaten weniger schutzbedürftig. § 28 (3) BDSG-E stellt bei Werbezwecken das "Überwiegen" schutzwürdiger Interessen des Betroffenen fest. Bei allgemein zugänglichen Daten muss nach § 28 (1) 1 Nr. 3 BDSG i.V.m. § 28 (2) Nr. 1 BDSG-E das schutzwürdige Interesse aber "offensichtlich überwiegen", um eine Verarbeitung auszuschließen. Das spricht dafür, Adressdaten aus allgemein zugänglichen Quellen weiterhin für Werbezwecke nutzen zu dürfen, bis der Betroffene widerspricht.Der "bestehende Zustand" soll für die Spendenwerbung beibehalten werden. Dann müssen NPOs Zugang zu neuen Anschriften haben. Dürfen also Adresshändler künftig Adressdaten für Werbezwecke gemeinnütziger Organisationen erheben, übermitteln und für diese nutzen? In § 29 (1) Satz 2 und § 29 (2) Satz 2 BDSG-E wird auf § 28 (3) BDSG-E verwiesen. Und dort ist einleitend vom "Adresshandel" die Rede. Der Begriff fand sich bisher nur, systematisch richtig, in § 29 (1) 1 BDSG.
Die Inhaber von Kundendatenbanken, etwa Versandhändler, könnten allerdings keine Werbeadressen mehr liefern, denn ihnen ist nach § 28 (3) Nr. 1 BDSG-E nur eine Datenverarbeitung für eigene Werbezwecke gestattet. Der Ausnahme in Nr. 3 für Spendenwerbung kommt in der Aufzählung kein Vorrang zu.
§ 28 (3) BDSG-E untersagt generell "Werbung" mit Ausnahme der "Spendenwerbung von verantwortlichen Stellen, die Zwecke nach § 51 der Abgabenordnung verfolgen". Damit würde Eigenwerbung politischer Parteien, Mitgliederwerbung und eine Werbung zu ideellen Zwecken gemeinnütziger Organisationen verboten. Reine Spendenwerbung ist zudem keine gemeinnützige Tätigkeit.
Das Listenprivileg gestattet eine Datennutzung und Übermittlung von listenmäßig zusammengefassten Datenbeständen für Werbezwecke, sofern kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse hat. Diese Korrekturmöglichkeit im Einzelfall würde nach der Neuregelung entfallen. § 28 (3) BDSG-E nimmt generell die Verletzung schutzwürdiger Interessen des Betroffenen bei einer Werbenutzung an und bestimmt dann in Nr. 3 eine Ausnahme für Spendenwerbung, ohne die Pflicht vorzusehen, im Einzelfall erkennbare entgegenstehende schutzwürdige Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen (Gleiches gilt für die Eigenwerbung nach Nr. 1, hier ist die verantwortliche Stelle dem Betroffenen aber zumindest aus einem Vertragsverhältnis bekannt, und er wird mit einer Werbung für weitere Angebote rechnen). Es bleibt nur das Widerspruchsrecht (für künftige Fälle) nach § 28 (4) BDSG.
Wenn generell die Verwendung von Adressdaten für fremde Werbezwecke schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt, dann kann es nicht auf den Absender des Werbemailings ankommen. Soll das BDSG zu einem "Werbeverbotsgesetz" werden, dann sollte sich der Begriff der Werbung in § 28 (3) BDSG-E zuguns ten der steuerbegünstigten Organisationen allein auf "kommerzielle Werbung" beziehen. Das stünde in Einklang mit den speziellen Werbeverboten im UWG und im TKG.
Der DDV möchte das Listenprivileg für Werbetreibende erhalten, die sich dem Auditverfahren einer neutralen Stelle, etwa des Bundesdatenschutzbeauftragten, unterziehen. Es würde die Einhaltung des Datenschutzrechts geprüft und dafür ein Datenschutzsiegel vergeben werden. Ob sich der Gesetzgeber darauf einlassen kann? Der Datenschutzbeauftragte (§ 4g (1) 1 BDSG) und die Aufsichtsbehörde (§ 38 BDSG) wachen bereits über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Und die Werbung mit Selbstverständlichkeiten wie der Gesetzestreue ist unlauter.
Ralf Rösler
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